Wir zwei allein - Roman
Theres knipst das Lämpchen neben ihrem Mannequin in der Zimmerecke an. Sie steht schon am Kleiderschrank, die Türen quietschen, sie schaltet die Glühbirne im Inneren ein. Das ganze Haus muss jetzt auf zehn Kilometer strahlen.
Theres, sage ich.
Du magst es ja am liebsten dunkel, sagt sie. Sie hat ihren Astronautenkoffer auf den Boden gezogen. Sie reißt ihn auf. Sie stopft wahllos Kleidungsstücke hinein, Schuhe, ihren Kulturbeutel. Du kannst deinen Winterschlaf fortsetzen, wenn ich weg bin, sagt sie.
Welchen Winterschlaf?
Ich kann dich ja mal anrufen von Italien aus.
Sie stemmt ihren Koffer hoch, schleppt ihn an mir vorbei in den Gang. Ich versuche sie festzuhalten, aber sie stößt mich weg. Sie poltert mit dem Koffer zur Treppe, ich folge ihr, reiße sie an der Schulter herum, sie bleibt stehen.
Lass mich in Ruhe, sagt sie.
Ich greife wieder nach ihrer Schulter. Ziehe sie an mich.
Ich dachte, du würdest dich freuen, sagt sie dumpf gegen meine Brust.
Theres, sage ich.
Ich wollte dir eine Freude machen, sagt sie.
Ich küsse sie auf die Stirn. Sie drückt sich gegen mich.
Freust du dich denn nicht?, fragt sie.
Ich küsse sie.
Doch, Theres, sage ich. Ich freue mich.
14 Millionen von kleinsten Bläschen steigen um mich auf. Könnte ich doch nur in eine von ihnen hinein. Ich könnte atmen und an die Oberfläche schweben und aus diesem dunklen Tümpel entkommen. Die Geräusche haben hier unten eine große Vergangenheit. Mein Körper ist mein Grab. Ich könnte nach oben schwimmen. Aber an meinem linken Fuß ist eine Kette und daran befestigt der Mannequin aus Theres’ Zimmerecke. Ich sinke wie ein Stein zum Grund in eine Schwärze. Ich selbst bin es, dem die Bläschen entfliehen. Sie retten sich wie Weltraumkapseln aus meinem Mund, ein seltsames Schweben und trotzdem ein Sinken ist es, das mich von meinem Atem fortzieht. In meinem Kopf dröhnt etwas auf. Und dann ist es um mich schwarz. Und ich weiß nicht mehr, ob ich nach unten oder nach oben sinke. Gepanzerte Fische haben mich umzingelt. Quallen, die wie Girlanden leuchten. Sumpfdotterblumen, geköpft. Der faulige Geruch. Hier steigt Gas in die Umgebung auf. Die Dörfer sind leer. Es hat ein Kampf stattgefunden um die Ausweitung des Herrschaftsgebiets. Es ist das Leben in seiner primitivsten Form. Cyanobakterien bilden Teppiche, korallenartige Tische, Stühle, ganze Wohnzimmer. Der Hecht schlängelt sich mit milchigen Augen durch den Schlamm. Theres erscheint im Holozän. Ich selbst verschwinde in der Grube, werde zu Kohle. Ihr Menschen der Zukunft, beleuchtet eure Städte mit mir. Ich habe nie gelebt. Und doch hat sich in meine Zellen die Leuchtkraft eingegraben. Theres hat einen Hof gefunden.
15 Ich muss dir noch etwas sagen, sagt Theres, ohne mich anzusehen. Sie sitzt schon in der Küche. Es ist noch nicht ganz hell. Meine Knochen schmerzen, ich fühle mich wie ein verdroschener Hund, den halben Tag habe ich gestern endlich Möbel aus meiner Wohnung in der Stadt in den Sprinter und aus dem Sprinter in unser Haus geschleppt. Niko und Uli haben geholfen, danach haben wir unter den Bäumen im Garten vor einem Feuer gesessen, in Decken gehüllt, es hat genieselt. Theres hat uns neues Riegeler Landbier aus dem Keller geholt, obwohl wir schon längst keins mehr wollten. Ich habe morgen fünften Hochzeitstag, ich muss nach Hause, hat Uli gesagt. Trinkt doch noch eins, hat Theres gesagt. Sie hat mich nicht angesehen dabei. Als wir allein waren, war sie müde und wollte gleich ins Bett. Und heute Morgen war das Bett in ihrem Zimmer leer, und jetzt sitzt sie am Küchentisch, draußen die Stille des regenverhangenen Tals, Nebel im Hof, Theres’ Hände um eine Teetasse gepresst. Ich setze mich ihr gegenüber, nehme einen Schluck aus der Wasserkaraffe und muss den Brechreiz zurückhalten, ich presse mir die Hand gegen die Schläfe, damit die Schädeldecke dem inneren Druck standhält, verdränge den Gedanken an den gestrigen Aschenbecher.
Ich muss dir etwas sagen, sagt Theres.
Geht’s dir nicht gut, Theres?
Mir geht’s gut. Aber es ist etwas passiert. Verrückt, oder? Dass die meisten Sachen zur unpassenden Zeit passieren. Man geht durch die Stadt und lächelt die Leute an, und man will am liebsten in jedes Geschäft rein und ein paar Kleider anprobieren oder eine Ledertasche kaufen oder neue Schuhe, obwohl sie ziemlich teuer sind und man gar keine Schuhe braucht. Geschweige denn eine neue Lederhandtasche oder irgendwelche Sommerkleider,
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