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Wo die verlorenen Seelen wohnen

Wo die verlorenen Seelen wohnen

Titel: Wo die verlorenen Seelen wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dermot Bolger
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das nur in albtraumhafter Langsamkeit. Dann waren wirim dunklen Flur. An meinem Arm humpelte sie langsam zur Treppe.
    Hinter uns hörte ich Schritte – schlurfend und langsam, aber unaufhaltsam näher kommend. Als wir die schmale Treppe erreicht hatten, nahm ich Geraldine in meine Arme. Es war stockdunkel. Vorsichtig setzte ich Schritt vor Schritt und wäre auch sicher unten angekommen, hätte mich nicht eine knochige Hand die letzten Stufen hinuntergestoßen. Ich stolperte, fiel nach vorne und hörte, wie Geraldine mit dem Kopf schwer auf den Steinfliesen aufschlug. Eine schwarze Katze sprang aus dem Schatten und huschte davon. Mich durchfuhr ein heftiger Schmerz, ich musste mir wohl die Schulter ausgerenkt haben. Eine Hand griff von oben nach mir. Es war der alte Mann, der behauptete, im Innern Shane O’Driscoll zu sein.
    »Vertrau mir«, sagte er. »Der Wechselbalg blutet oben so stark, dass er nicht mehr lange am Leben ist. Was ist mit ihr?«
    »Sie ist bewusstlos. Ich glaube, wir sollten sie jetzt besser nicht bewegen.«
    »Dann lass sie hier.«
    »Ich lass sie nicht allein hier liegen. Außerdem tut mir meine Schulter so weh, dass ich sowieso nicht über die Mauer klettern könnte.«
    »Du kommst mit mir.«
    Er packte mich mit beiden Händen an der Jacke und zerrte mich mit wilder Entschlossenheit über die Steinfliesen. Ich schrie laut auf, weil die Schmerzen in meiner Schulter unerträglich wurden. Dann schubste er mich durch einen schmalen Gang und ich hatte das Gefühl, dass die Wände mich immer enger umschlossen. Das alles war ein einziger Albtraum, nur dass der Schmerz in meiner Schulter mich wach hielt. Der alteMann stieß mich in einen Keller und brach danach zusammen. Ich konnte hören, wie er schwer atmete. Vielleicht waren wir alle gleich tot. Shane, der oben in dem Zimmer verblutete. Geraldine, die sich womöglich das Genick gebrochen hatte. Der alte Mann, der da auf den Steinfliesen lag. Und ich?
    »Wagen Sie es nicht, hier vor meinen Augen zu sterben«, flüsterte ich dem Alten zu. »Lassen Sie mich nicht allein.«
    Der Alte wühlte in seiner Manteltasche nach einer Streichholzschachtel. Das erste Streichholz ging schnell aus, aber ich erkannte einen niedrigen, gewölbten Keller. Er zündete ein zweites Streichholz an und dann erhellte auf einmal das Flackern einer Kerze den dunklen Raum. Der alte Mann ließ etwas Wachs auf den Boden tropfen und presste das Ende der Kerze hinein. Ich bemerkte, dass eine Fliese in der Mitte des Raums beiseitegeschoben war, und spürte instinktiv, dass dort Wasser war, in dem ich ertrinken konnte. Ich versuchte aufzustehen, aber ich schaffte es gerade mal, ein kleines Stück über den Boden zu kriechen. Schwere Schritte waren zu hören, die den Gang entlang auf uns zukamen.
    »Haben Sie das Messer noch?«, flüsterte ich.
    Der alte Mann schüttelte den Kopf, als würde es ihn zu viel Kraft kosten zu sprechen. Dann tauchte Shane in der Türöffnung auf, mit Geraldines leblosem Körper in den Armen. Er beugte sich herunter und legte sie sacht auf den Boden.
    »Hat einer von euch beiden etwas, worauf ich ihren Kopf betten kann?«, fragte er.
    Geraldines Kleidung war von der Wunde des Jungen mit Blut verschmiert. Seine Jeans war mit Blut durchtränkt und ich wusste, dass sich von dem Zimmer oben bis hier herunter eine Blutspur ziehen musste.
    »Du musst zu einem Arzt«, flüsterte der alte Mann. »Du hastschon viel zu viel Blut verloren. Ich spüre auch schon, wie ich immer schwächer werde.«
    »Zu spät«, sagte der Junge. »Wir müssen jetzt beide sterben, Shane.«
    »Ich will nicht sterben, Thomas.« Die Stimme des alten Mannes wurde immer schwächer. »Ich dachte, es würde mir nichts ausmachen. Aber jetzt habe ich viel zu große Angst davor.«
    »Ich habe dem Tod schon Dutzende Male ins Auge geschaut«, sagte der Junge. »Jedes Mal habe ich mir geschworen, mich ihm zu stellen, nicht wieder davor zu fliehen, aber ein Ertrinkender klammert sich an alles, um weiterleben zu können, und sei es auch nur einen Atemzug lang.«
    Beide schwiegen und mir wurde bewusst, dass sie mich anschauten. Sie schienen tatsächlich dieselben Gedanken zu denken und sich wortlos zu verstehen.
    »Nein«, sagte ich. »Nein, was auch immer ihr vorhabt.«
    Beide kamen näher. Ich versuchte hochzukommen, aber der Schmerz in meiner Schulter war zu groß. Dann wollte ich sie mir mit Fußtritten vom Leib halten, aber der Junge musste das geahnt haben, denn er warf sich über meine Beine, um

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