Wo geht’s denn hier ins Paradies?
Hatte er geweint?
Mimi biss sich auf die Lippen. Alles, was sie sich vorgenommen hatte zu sagen, war auf einmal wie fortgewischt. Dieser Mann hier vor ihr litt. Litt wie ein Hund. Das war ganz deutlich zu erkennen.
„Ellen geht es nicht gut“, sagte sie leise.
„Ich weiß.“ Mit einer knappen Geste bot er ihr Platz an. „Aber sie will mich nicht sehen.“
„Ach was! Das ist doch nur falscher Stolz!“ Mimi schüttelte den Kopf, dass die roten Locken wieder einmal tanzten. „Ich weiß genau, dass du ihr alles bedeutest.“
„Sie hat mich weggeschickt.“
„Ja, ja, aber das heißt doch gar nichts!“ Eindringlich sah sie Karsten an. „Ellen liebt dich. Und ich bin sicher, dass du der einzige bist, der ihr vor der OP helfen kann.“ Sie griff nach seiner Hand, die schlaff am Körper herabhing. „Karsten, du musst zu ihr gehen! Glaub mir, sie hat es nicht ernst gemeint, als sie dich weggeschickt hat. Sie war nur geschockt und sauer, weil du und Janine …“
„Janine bedeutet mir gar nichts. Ich war ein Esel, dass ich mich von ihr immer wieder hab einwickeln lassen.“ Zerknirscht sah er Mimi an. „Du weißt doch, wie sie ist. Und ich bin einfach immer wieder mal schwach geworden.“ Er atmete tief durch. „Glaub mir, ich könnte mich deswegen ohrfeigen. Da hab ich immer gedacht, ich stehe über solchen Dingen – und werde um den kleinen Finger gewickelt von diesem Miststück wie ein Primaner.“
„Du bist eben ein Mann. Ein ganz normaler schwacher Mann.“ Sie lächelte, und es war ein fast nachsichtiges, mütterliches Lächeln. „Wir Frauen stehen auf schwache Männer, glaub mir. Ellen ist da nicht anders.“
Wie gern hätte er ihr geglaubt! Aber sicher wusste Mimi nicht, dass Ellen ihn mit Janine in flagranti erwischt hatte. Und dass sie ihn sicher hasste, weil er so lange unentschlossen zwischen zwei Frauen hin und her gependelt war. Er hasste sich ja selbst für seine Schwäche!
„Ich gäbe alles dafür, wenn Ellen mir verzeihen, wenn sie mich wenigstens anhören würde“, sagte er leise. „Aber sie will nicht. Und die Ärzte sagen, dass ich sie nicht weiter aufregen darf. Also bin ich gegangen.“
„Und jetzt kommst du mit zurück.“ Entschlossen schob Mimi ihn in Richtung Bad. „Mach dich ein bisschen menschlich, ich warte so lange. Soll ich dir einen Kaffee bestellen?“ Sie wies auf die Whiskykaraffe, die halb geleert war. „Der Konsum von heute?“
„Nein, nein, mach dir deshalb keine Gedanken.“ Er hielt kurz inne. „Glaubst du wirklich, dass ich mit ihr reden kann?“
„Klar doch. Und wenn nicht … dann hältst du sie eben einfach im Arm, zeigst ihr, wie viel sie dir bedeutet. Das ist mindestens so viel wert wie Worte. – Aber jetzt mach voran, sonst ist es zu spät und sie lassen uns nicht mehr zu Ellen.“
Eine halbe Stunde später, Karsten hatte inzwischen zwei Tassen Kaffee getrunken und ein Käsesandwich gegessen, waren sie auf dem Weg ins Krankenhaus.
„Ich brauche noch Blumen“, sagte Karsten irgendwann.
„Das ist doch jetzt nicht wichtig.“
„Doch“, beharrte er. „Wenigstens eine Rose will ich ihr mitnehmen.“
„Du schreibst zu viele Schnulzen.“ Mimi versuchte sich in Ironie zu retten, aber dann, nach einem Blick in das Gesicht des Mannes, lenkte sie ein und steuerte einen Blumenladen an.
Zum Glück war noch geöffnet. Doch die roten Rosen waren ausverkauft.
„Tut mir leid“, meinte die freundliche Verkäuferin, „aber eben war ein junger Mann hier und hat zwei Dutzend gekauft.“
„Aber ich brauche wenigstens eine rote Rose!“ Wie suchend blickte sich Karsten in dem kleinen Geschäft um, doch es gab nur cremefarbene und gelbe Rosen.
„Also gut, Sie bekommen meine.“ Die Verkäuferin lächelte ihm zu. „Mein Mann wird mir verzeihen. Wir haben heute Hochzeitstag, aber … ich glaube, für Sie ist es wichtiger, dass Sie die rote Rose verschenken können.“
„Sie ahnen nicht, wie wichtig.“ Er legte einen Schein auf den Tresen. „Danke, ist gut so.“ Und schon war er wieder draußen, die einzelne Rose wie eine Kostbarkeit in der Hand haltend.
Mimi hatte ungeduldig gewartet. Sie hoffte sehr, dass sie das Richtige tat, wenn sie jetzt versuchte, Ellen und Karsten zu versöhnen. Aber dann dachte sie an Bernhard und sich. An diesen langen Weg ins Glück, der auch von vielen Irrungen und Missverständnissen geprägt worden war. Wie oft hatte sie an Bernhard gezweifelt! Wie häufig hatte er geschwankt zwischen ihr und seiner
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