Wo ich zu Hause bin
Heimat. Das gelte etwa für die Möbelhauskette Ikea, die überall die gleiche Firmenkultur praktiziere. Die gleiche Kultur an verschiedenen Orten gebe den Mitarbeitern das Gefühl von Heimat. Die Frage ist, ob das genügt. Wenn ich innerhalb des Unternehmens auf einen anderen Kontinent versetztwerde, leidet daran die Familie. Denn sie hat an der Firmenkultur keinen Anteil. Frau und Kinder werden für ein paar Jahre in eine fremde Kultur verpflanzt und erleben dort oft Heimatlosigkeit.
Ein Teilnehmer der Diskussion meinte, das alte Gefühl der Beheimatung in der Firma würde nicht mehr in unsere mobile Gesellschaft passen. Es führe zur Stagnation. Man würde immer das Alte und Vertraute weitermachen wollen, ohne sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen. Die heutige Zeit brauche Beweglichkeit und Flexibilität. Sonst könne ein Unternehmen nicht bestehen. Ich denke, die beiden Pole von Flexibilität und der Sehnsucht nach Beheimatung müssen heute von jeder Firma ernst genommen werden. Wie kann ich den heimatlosen Menschen an ihrem Arbeitsplatz Heimat vermitteln, ohne dass sie sich behäbig breit machen und unbeweglich bleiben? Und wie kann ich in der Kultur des Unternehmens so etwas wie Heimat entwickeln, das den Menschen mitten in der Flexibilität Halt und Geborgenheit schenkt?
Interessant ist für mich, dass in letzter Zeit bei Seminaren und in der geistlichen Begleitung öfter das Thema Heimat auftaucht. Ein Mann, der eine gute Stellung in seiner Firma hat und sich dort wohlfühlt, hat gemeinsam mit seiner Frau beschlossen, in eine andere Stadt zu ziehen, in der Nähe des Geburtsortes der Frau. In dieser Stadt hat die Frau die ersten sieben Jahre ihres Lebens gelebt und sich dort daheim gefühlt. An dem Ort, an dem sie heute mit ihrem Mann lebt und arbeitet, hat sich dieses Gefühl von Daheimsein nie eingestellt. Sosucht die Frau gemeinsam mit ihrem Mann nach einer geeigneten Wohnung in dieser Stadt. Sie verbindet mit der Wohnungssuche die Sehnsucht danach, sich dort daheim zu fühlen. Aber zugleich hat sie Angst, enttäuscht zu werden, dass sie dort in dieser Stadt gar nicht findet, was sie sucht. Im Gespräch mit ihrem Mann spürt sie, dass sie für sich ganz neu klären muss, was sie eigentlich sucht. Was ist Heimat für sie? Was bewirkt, dass sie sich an dem neuen Ort daheim fühlen kann? Sie wird ja kaum die Menschen wieder treffen, mit denen sie die ersten sieben Jahre gelebt hat. Die Stadt ist so groß und so in Bewegung, dass sie sich ständig wandelt. Was ist, wenn mir auch dieser Ort nicht das Gefühl von Daheimsein schenkt? Was suche ich eigentlich? Für beide ist klar, dass es nicht nur darum geht, in welche Stadt sie ziehen, sondern letztlich darum, was ihnen gemeinsam Heimat bedeutet und was sie daheim sein lässt. Das Gefühl, an dem momentanen Ort nicht daheim zu sein, sollten sie ernst nehmen. Aber sie sollten die neue Stadt auch nicht mit Erwartungen überfrachten, die sie nicht erfüllen kann. Eine Stadt kann eine Atmosphäre haben, die meinem Heimatgefühl entspricht. Aber ein Ort allein schenkt keine Heimat. Es braucht andere Dinge, die mich daheim sein lassen. Da ist einmal die Liebe des Mannes, das Eingebettetsein in die Familie, der Kreis von Freunden. Im Gespräch wurde beiden klar, dass es nicht nur um Heimat geht, sondern letztlich um die Wurzeln, die sie tragen. Indem sie in der Stadt Heimat suchen, begeben sie sich auf die Suche nach ihren eigenen Wurzeln, nach ihrer Identität,nach ihrem wahren Wesen: Was prägt meine Seele? Was lässt meine Seele daheim sein? Wonach sehnt sie sich?
Im Gespräch mit den Menschen, die umziehen wollen, wurde mir klar, wie die Suche nach der Heimat die Situation einer Familie beeinflusst. Die Suche nach Heimat bringt das bisherige Lebensgebäude der Familie ins Wanken. Sie muss sich klar werden, woraus sie lebt, was sie zusammenhält und was ihr Heimat schenkt. Den Eltern wird klar, dass das Haus, das sie für die Familie gebaut haben, langsam leer wird, wenn die Kinder aus dem Haus ziehen. Dann ist die Frage, ob das Haus für immer Heimat bleibt für die Kinder, wenn sie nach Hause kommen. Oder ob es einfach zu groß und nicht mehr zu halten ist, wenn es nur noch von einem alternden Ehepaar bewohnt wird. Kinder, die aus ihrer Familie ausziehen, machen sich auf den Weg, eine neue Heimat für sich zu finden. Aber sie verändern auch die Heimat der Eltern. So wird jede Familie immer wieder mit der Frage konfrontiert, was sie daheim sein lässt
Weitere Kostenlose Bücher