Suendenpakt
1
Nikki Robinson
Siebzehn Jahre alt und kriminell gewieft, schmollt Nikki Robinson an diesem schwülen Nachmittag vor sich hin und versucht, nicht ständig auf ihr grellrosa Handy zu starren. Seit drei Tagen hat sie nichts mehr von Feifer gehört und bekommt das schreckliche Gefühl, dass er sie abserviert hat, ohne ihr etwas davon zu sagen.
Sie steht im Kwik Mart in der Schlange, um ihr Getränk zu bezahlen, als ihr Handy endlich klingelt. Sie springt fast an die Decke und schnappt so schnell nach ihrem Telefon, dass ihr ihre beste Freundin, Rowena, hinter der Theke einen missbilligenden Blick zuwirft, der sagen soll: »Jetzt komm mal wieder runter, Mädel.«
Rowena geht es vor allem darum, auch unter romantischem Druck Würde zu wahren, und wie üblich hat sie Recht. Es ist nur Maidstone Interiors mit einem Putzjob für Nikki draußen in Montauk.
Nikki arbeitet schon den ganzen Sommer für Maidstone, was ihr gut in den Kram passt. Das einzige Problem: Sie weiß nie, wohin sie geschickt wird.
Nikki braucht vierzig Minuten, um von Kings Highway in Bridgehampton nach Montauk zu fahren, und weitere fünf, um das am Hügel gelegene Viertel gleich oberhalb der Route 27 zu finden, wo alle Straßen nach toten Präsidenten benannt sind - aber nicht nach denen der neueren Zeitgeschichte, sondern nach denjenigen, die schon eine Weile das Zeitliche gesegnet haben.
41 Monroe Street ist weder eine Villa noch eine Bruchbude,
sondern irgendwas dazwischen. Nikki merkt gleich, als sie durch die Tür kommt, dass hier kein Chaos herrscht. Wahrscheinlich wohnt hier ein Paar oder eine kleine Familie.
Abgesehen von dem regelmäßigen Geld, dem absoluten Pluspunkt, gefällt Nikki an dieser Arbeit, dass sie alleine ist. Sie putzt zwar die Häuser von Weißen, aber zumindest gucken sie ihr nicht über die Schulter, um jeden Handschlag zu kontrollieren. Außerdem kann sie rumlaufen, wie sie will. Deswegen zieht sie sich bis auf einen dürftigen Bikini aus, setzt sich ihre Kopfhörer auf, legt irgendeine R. Kelly ein und macht sich an die Arbeit.
Nikki beginnt mit dem Schlafzimmer im Erdgeschoss. Sie sammelt die schmutzigen Handtücher ein und zieht die Betten ab. Die Wäsche knüllt sie zu einem großen, feuchten Ballen zusammen, den sie die Kellertreppe hinunterwuchtet. Rasch schaltet sie die Maschine ein, dann rennt sie in den ersten Stock hinauf. Ihre dunkle Haut, die sie manchmal hasst und manchmal liebt, glänzt bereits.
Als sie den Treppenabsatz erreicht, liegt ein ekliger Geruch wie nach Weihrauch in der Luft. Oder raucht da jemand Marihuana?
Ungewöhnlich wäre das nicht. Auch Mieter kiffen manchmal.
Doch als Nikki die Tür zum großen Schlafzimmer aufstößt, springt ihr das Herz bis in den Hals. Irgendwie schafft sie es noch zu schreien und denkt: Der weiße Teufel.
2
Mit einem langen, krummen Fischmesser in der Hand, mit nichts als einer Boxershorts bekleidet und einem breiten Grinsen im Gesicht balanciert ein dürrer, weißer Typ auf dem Bett. Er sieht aus, als käme er gerade aus dem Knast. Sein Haar ist weißblond gebleicht, seine geisterhaft blasse Haut mit Piercings und Tätowierungen überzogen.
Doch am unheimlichsten, vielleicht noch unheimlicher als sein Messer, sind seine Augen. »Ich kenne dich, Nikki Robinson«, sagt er. »Ich weiß, wo du wohnst. Ich weiß sogar, wo du arbeitest.«
Für ein paar Sekunden, die ihr wie eine Ewigkeit vorkommen, lassen diese stumpfen Horrorfilmaugen Nikki in der Tür erstarren, als wären ihre Reeboks am Boden festgenagelt.
Auch ihre Lungen versagen ihren Dienst. Für einen zweiten Schrei fehlt Nikki die Luft.
Irgendwie durchbricht sie den Lähmungszauber und schafft es, zuerst einen, dann den anderen Fuß zu heben. Sie bewegt sich, sie schreit, sie rennt um ihr Leben, rennt zum Badezimmer am anderen Ende des Flurs.
Nikki ist schnell. Sie ist Hürdenläuferin im Team der Highschool von Bridgehampton, schneller als alle anderen - bis auf ein paar Jungs -, und schneller als dieser schlangenartige Eindringling mit seinem starren Blick.
Sie erreicht die Badezimmertür vor ihm, und obwohl ihre Hände zittern, kann sie die Tür rechtzeitig hinter sich zuschlagen und abschließen.
Sie lehnt gegen die Tür, beobachtet von ihrem erschreckten Spiegelbild. Ihr heftiges Keuchen übertönt seine Schritte.
Dann dreht sie sich um und lässt, den Rücken gegen die Tür gepresst, ihren Blick verzweifelt durchs Badzimmer zucken, um einen Weg nach draußen zu finden.
Das Fenster
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