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Wo wir uns finden

Wo wir uns finden

Titel: Wo wir uns finden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Findeis
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anzünden.
    Er lacht und schüttelt den Kopf, dass es so weit nicht sei, sagt er.
    Bitte, sage ich.
    Ich pass auf dich auf, sagt er: da brauchst du deinen Gott um nichts zu bitten.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Maria lebte ohne mich, wie sie jeden Tag nach der Arbeit nach Hause kam in unser Apartment, mit dem Rauschen des Verkehrs im Hintergrund die Diele betrat, die dünne Tür mit Schnappschloss hinter sich zuwarf und allein war in der ungeteilten Stille eines gewöhnlichen Abends. Vielleicht legte sie die Hände an ihren Bauch und atmete tief, bestimmt fragte sie sich, wie es weitergehen solle mit ihr und unserem Kind, verfluchte mich und blickte doch immer zuerst zum Anrufbeantworter, ob das grüne Licht blinkte als Zeichen einer Nachricht. Vielleicht holte sie sich eine Coke bei dem Pakistani, vielleicht ging sie durch die Regale des »99 Cent Store« und kaufte etwas Unbrauchbares. Sicherlich überlegte sie, wo sie noch anrufen könnte, um nach mir zu fragen.
    Mein Vater sagt: Solang man singt, ist die Kirche nicht aus. Sonne und Mond werfen ihr Licht Tag und Nacht durch die vorhanglosen Fenster auf den blanken Boden der Zimmer seines Hauses, die aufgefüllt sind mit unbewegter Luft. Strom und Gas und Telefon sind abgestellt. Die Küchenuhr ist als Einziges zurückgeblieben, das unaufhaltsame Ticken des Sekundenzeigers macht die Zeit aus der unbeweglichen Ewigkeit im unbewohnten Raum.
    Es gab eine Seite im Internet, auf der man sehen konnte, wann die Produktion von Marias Serie an welchem Ort drehte. Ein Fan teilte die Informationen mit, ich wusste nicht, ob sie stimmten. Ich besuchte die Seite jeden Tag, in einem Internetcafé saß ich, in dem die Computer auf Spanisch eingestellt waren. Hatte Marias Serie einen Außendreh, gab ich die Adresse bei Google Maps ein, betrachtete mir die Straße und stellte mir Maria bei der Arbeit vor.
    Ich nahm den Bus der Linie 33 und fuhr von Downtown Richtung Venice Beach. Der Bus fädelte sich von der Main Street in den Venice Boulevard ein, und ich betrachtete die Hausnummer 18500 an einer Wäscherei. Das Schlagen des ausgeleierten Automatikgetriebes, das die Strecke bis zum nächsten Halt unterteilte in ungleichmäßige Erschütterungen; die von der Smog-Sonne in Gelb getauchten Straßen und Häuser, verrußte Palmen an roten Rinnsteinen, Männer mit signalfarbigen Fahnen machten aufmerksam auf Parkplätze, die umfunktionierte Brachflächen waren; ein Kolibri neben dem Busfenster, seine irren Flügelchen unsichtbar in ihrer verzweifelten Hatz. Ich dachte an den Besuch einer Party mit Maria im Haus einer der Produzentinnen der Serie und wie ich wirklich geglaubt hatte, wir könnten so leben eines Tages, die Villa mit Blick auf den Pazifik, gestern Zukunft, heute Vergangenheit. Vorbei an Zeilen geschlossener Ladengeschäfte, leer stehenden Lagerhallen – das Getöse des Busmotors stand in keinem Verhältnis zur Geschwindigkeit, die er auf den kurzen freien Strecken erreichte, zwischen roten Ampeln oder kaum sichtbar markierten Haltestellen; und ewig ging es geradeaus, als ob mein Ziel unabänderlich wäre. Ich wusste von dem Fabrikgebäude, auf dem Marias Serie einen Großteil ihrer New-York-Szenen drehte, weil es aus rotem Backstein gebaut war und ohnehin niemand so genau hinsah.
    Und das schlechte Wetter machen die später am Computer, hatte sie gesagt.
    Ich erkannte Maria an ihrem Gang. Mit einem Kaffeebecher in der Hand kam sie von einem Food-Court, sie trug die schwarze Hose und die schwarze, hochgeschlossene Bluse, die sie in zehnfacher Ausführung besaß und immer trug zur Arbeit. Sie ging langsam, vorsichtig und wartete lange an einer roten Ampel, obwohl kein Verkehr war. Sie hatte mir erzählt, dass sie den Kaffee am Set nicht trinken könne, der sei immer mit einem Geschmacksstoff parfümiert: Vanille, Haselnuss, Zimt; was nie schmecke wie Vanille, Haselnuss oder Zimt, sondern einfach wie zu viel Süßstoff. Maria erkannte mich nicht, obwohl sie in meine Richtung blickte, sie sah nicht gut auf die Entfernung. Sie dachte vielleicht: Der sieht ja ein bisschen aus wie Siggi, bevor sie die Straße überquerte. Aus ihrer Handtasche zog sie das Band, an dem ihr Berechtigungsausweis hing, und ging auf das Tor des Fabrikgebäudes zu, hinter dem sie verschwand. Sie hatte nicht zugenommen. Ich blieb stehen an der Straßenecke. Dass ich ein Autogrammjäger sei, dachte der Security-Mann sicherlich, der mich vom Tor aus beobachtete. Er sprach in sein Walkie-Talkie und

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