Wo wir uns finden
nicht hatte zuordnen können, der Geruch ihrer regennassen Haare war. Wir sprachen nicht, sie zog sich ganz aus und kam zu mir ins Bett. Ihre Haut fühlte sich an, wie von einer feinen Eisschicht überzogen, die bei Berührung knisterte und zerbrach. Es hatte das erste Mal geregnet, seit ich in Los Angeles angekommen war.
Wir fanden nicht die Zeit, nach Vegas zu fahren und zu heiraten. Ich verbrachte die Tage mit Spazierengehen in der Einöde aus Verkehr und Parkplätzen, kastenförmigen Gebäuden und endlosem Himmel, ich ging nirgendwohin und kam nirgendwo an, verlor mich im quadratischen Straßennetz.
Wenn ich ein Kind habe, das amerikanischer Staatsbürger sei, sagte Maria lachend: ginge das mit der Einbürgerung leichter und schneller, und reichte mir den Schnelltest, der drei Pluszeichen anzeigte: und Amerikaner wird das hier von ganz allein.
Wie lange kannst du denn da noch arbeiten? fragte ich, und sie hob die Schultern: Meine Mutter wird uns in der Zeit über die Runden helfen.
Wenn sie das kann, sagte ich.
Sie nickte und fragte: Willst du ein Mädchen oder einen Jungen?
Mädchen sind cooler, antwortete ich, und sie sagte: Ich muss aber nach Deutschland und es ihr persönlich sagen.
Watschelst du mit Absicht? fragte ich Maria, als sie aus dem Schlafzimmer kam und ins Bad ging.
Ich watschel nicht, sagte sie.
Du watschelst, sagte ich und blickte wieder aus dem nur lose im Rahmen befestigten und vergitterten Fenster unseres Apartments und beobachtete die Menschenschlange auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig, die entlang des Blocks verlief. Ich hörte, wie Maria sich den Mund ausspülte und zurück ins Schlafzimmer ging und weiter ihren Koffer packte. Der Pakistani aus dem Schnapsladen trat immer wieder vor die Tür und forderte die Wartenden auf, seinen Eingang nicht zu blockieren. Schwarze, Asiaten, Latinos und Weiße standen dort, jeder hielt ein Blatt Papier in der Hand. Maria sang im Schlafzimmer: Somewhere over the rainbow, way up high.
Vor dem Eingang eines Gebäudes mit verhangenen Schaufenstern saßen drei Männer hinter einem Tisch, einzeln traten die Leute aus der Schlange und legten den Männern ihr Papier vor. Ich sah, wie die Männer ihre Lippen bewegten, wie der Bewerber antwortete. Danach durfte der Bewerber in das Gebäude, über dessen Eingang ein Schild hing mit der Aufschrift »99 Cent Store«. Maria trat von hinten an mich heran, legte ihre Arme um meinen Brustkorb und verschränkte sie: Die armen Schweine, sagte sie, ihr Kopf ruhte auf meiner Schulter, ich spürte die unsichtbare Rundung ihres Bauches, sah mich selbst um einen der elenden Jobs bitten in diesem Laden, dessen hoffnungslos riesige Auswahl Stück für Stück gleich viel wert sein sollte, als wären gerade hier die Gesetze von Angebot und Nachfrage aufgehoben. Ein Lkw fuhr vorbei, das Fenster wackelte. Maria löste ihre Umarmung und ging aus dem Zimmer, ich hörte sie wieder im Schlafzimmer hantieren. Ich schob das Fenster ein wenig auf, die Luft von draußen verwehte den Geruch ihres Deodorants. Mit zwanzig Semestern Studium ohne Abschluss sei ich prädestiniert für so einen Job, dachte ich. Die Schlange bewegte sich kaum. Ein älterer Mann im grauen Anzug trat immer wieder aus der Reihe, um zu sehen, wie weit er an den Tisch vorangerückt war. Er wirkte nervös, sah auf die Uhr und sprach den Asiaten vor ihm an. Der Asiate schüttelte den Kopf. Der Mann im grauen Anzug kam aus der Schlange und ging ein paar Schritte, blickte zurück auf die Lücke, die er hinterlassen und die sich noch nicht geschlossen hatte. Momente vergingen, in denen er zu schweben schien, zerrissen zwischen unsichtbaren Geistern, die ihm zuflüsterten: Stay, you’ll make it – leave, you’ll never make it – stay, you need a third job – leave, you’ll loose your work and have only one job left.
Letztlich wendete er sich ab und verschwand im Laufschritt um die Ecke. Es dauerte, bis der Nächste aus der Schlange in die Lücke aufrückte. Er trug ebenso Anzug und Krawatte, er ließ den Kopf hängen, nachdem er vorgetreten war, als betrauere er den Verlust eines Bruders.
Ich werde das Licht hier vermissen, sagte Maria, die wieder hinter mich getreten war, und ich betrachtete den gnadenlos blauen Himmel, der immer gleich wie ein unbekannter Dritter über der Stadt hängt. Sie stellte sich neben mich, schob das Fenster ganz auf und fotografierte den Himmel mit ihrem Mobiltelefon. Sie betrachtete das Bild so lange, bis der Bildschirm
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