Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
Vom Netzwerk:
Begrüßung zu. Nadav öffnete den Sicherheitsgurt und blieb noch eine Weile sitzen, und als er endlich aus dem Auto stieg, war es, als sei er zum Arzt bestellt. Die Vorsehung oder der Zufall ignorierten die vorsichtige Planung, die ich gemacht hatte, und nahmen eine Abkürzung. Nadav suchte meine Hand, aber seine Schritte wurden fester, je näher wir seinem Vater kamen. Gideon, noch dünner, als er auf dem Russischen Platz gewesen war, zog die Hände aus den Taschen und steckte sie wieder hinein. Der Junge ließ meine Hand los und rannte die letzten paar Meter, die sie noch trennten, aber als er nur noch drei Schritte von ihm entfernt war, blieb er stehen. Vielleicht zweifelte er an seiner Identität, oder er erschrak, und seine Augen sahen nicht das, woran sie gewöhnt waren. Aber die Vorsehung hielt uns, während sie mit der einen Hand Wolken über unseren Köpfen zusammenschob, mit der anderen einen Schirm hin. Das ist, was die Sehnsucht einer Katze wert ist. Als sie uns sah, fing sie an zu jaulen und raste wie verrückt, als wäre die Seele eines kenianischen Sprinters in sie gefahren, auf uns zu, landete in dem knappen Abstand zwischen dem Jungen und seinem Vater, legte ihre Pfoten auf die Schuhe des Jungen, leckte und kratzte die Schuhe, die wir zu putzen vergessen hatten. Der Junge übergab ihr das, was er für seinen Vater vorbereitet hatte, er bückte sich, lachte und murmelte, Emotion, was für eine großartige Katze, Emotion … Sein Vater nutzte das Getöse der Katze aus, legte die Hand auf die Schulter des Jungen, sagte: »Guten Tag, mein Schatz.« Seine trockene,angestrengte Stimme wurde vom Lärm verschluckt, und währenddessen streckte mir Amos seine bäuerliche Hand hin und sagte: »Hi, es steht dir großartig, so kurz.«
    Ich war dem gelben Geschöpf dankbar, das uns die Tatsache, dass wir es aus unserem Haus geworfen hatten, mit einer Wohltat vergalt. Zwei Kilo Nerven und Muskeln hatten das Eis betreten und es zerbrochen. Gideons Hand blieb auf der kleinen Schulter, hätte sie gewusst, wie sie sich entfernen könnte, hätte sie es getan. Der Junge stand da wie einer, der einen Geist gesehen hat, als sei seine Erstarrung eine Garantie für die Hand auf seiner Schulter.
    »Komm«, sagte Gideon und ließ ihn los.
    »Wohin?« Nadav schaute zu ihm hoch, noch immer erstaunt.
    »Zu meinem Wohnwagen.«
    »Mama, erlaubst du es?«
    Sie gingen zum nördlichen Ende des Anwesens, der Mann knochig, gebeugt und kahl geschoren, der Junge klein und dünn, so entfernten sie sich und schritten zu einem Brandopfer, wie Abraham und Isaak es getan hatten. Gleich wird der Kleine fragen, wo sind das Holz und das Feuer, und der Große wird antworten: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Angst stieg in mir auf, ich wollte ihnen hinterherlaufen, den Jungen packen und zu mir zurückholen. Ich kannte den Mann nicht mehr, der ihn mitgenommen hatte, seinen Wahnsinn, ich wusste nicht, was aus seinem Gehirn herausgerissen war oder darin aufkeimte, es ist schon so viel auf der Welt passiert, Väter haben ihre Kinder mit Plastiktüten erstickt, mit einem Kopfkissen, mit den eigenen Händen …
    »Ich hätte es nicht erlauben dürfen …«, sagte ich.
    »Übertreib mal nicht. Er ist sein Vater, nicht wahr? Ich hoffe bloß, er erinnert sich noch, wo sein Wohnwagen ist.« Amos hob den Fuß als Hindernis für die Katze, und sie sprang wieder und wieder darüber. Er schlug vor, ich solle ins Haus gehen, sagte, auf dem Tisch stehe kalte Limonade bereit, die Tür sei offen.
    »Warum sollte er sich nicht erinnern?«, fragte ich erschrocken.
    »Er hat ein Problem mit dem Gedächtnis. Weißt du das nicht? Das kann ich kaum glauben. Reg dich nicht auf, ich kümmere mich darum.«
    Bisher hatten wir es mit Problemen des Gefühlslebens zu tun gehabt, jetzt auch mit dem Gedächtnis? War es möglich, dass ich es nicht gewusst hatte, weil ich es nicht hatte wissen wollen?
    »Nein, das habe ich nicht gewusst«, fuhr ich den Mann an, der dem ohnehin bestehenden Problem ein weiteres hinzugefügt hatte. Wer gab ihm das Recht, mir neue Diagnosen über meinen Mann mitzuteilen? Wenn er wusste, wie sein Zustand war, warum beschäftigte er ihn dann? Aus Mitleid? Ich wollte kein Mitleid.
    »Lass mich«, sagte ich und drehte mich zum Haus, damit er mich nicht trösten und mir keine guten Ratschläge geben konnte.
    »Du meinst es ernst? Du hast es wirklich nicht gewusst?«
    »Lass mich. Vielleicht bin ich ja viel dümmer, als ich

Weitere Kostenlose Bücher