Wodka und Brot (German Edition)
er war leicht, in der Dunkelheit war seine Wildheit nicht zu erkennen, er machte einen Satz. Ich wich in die Küche zurück, und plötzlich warf sich der Besucher auf mich und stürzte auf den Küchenboden. Das Licht fiel auf ihn, sein Gesicht lag auf dem Boden, ichsah seinen Rücken, der sehr mager war, die schmutzigen, zerrissenen Jeans, einen Geldbeutel, der aus seiner hinteren Hosentasche lugte. Seine Haare waren schwarz und wirr und steckten voller Kiefernnadeln, die Knie hatte er angezogen, an seinen Schuhsohlen hing Schmutz. Ein Häufchen Mensch, das sich im nächsten Moment hochrappeln und auf mich stürzen könnte. Ich befand mich in Griffweite zu meinen unkonventionellen Waffen, einer langen Schöpfkelle aus rostfreiem Stahl und einer Nudelrolle.
Plötzlich richtete sich der Mann auf, schrie wieder »Wasser«, und sein Gesicht war zu sehen, genauer gesagt, ihr Gesicht, das zerschlagene, blasse Gesicht einer jungen Frau. Eine violette Beule unter einem Auge, eine geschwollene Nase, aufgeplatzte Lippen. Ich ging zum Wasserhahn und füllte einen Wegwerfbecher und achtete darauf, nicht den Kontakt zu dem blau geschlagenen Auge zu verlieren, eine verletzte Tigerin hat nicht viel zu verlieren. Sie streckte die magere Hand nach dem Wasser aus, trank, verspritzte etwas mit zitternden Lippen, das Wasser lief über ihr Kinn, ich nahm ihr den Becher aus der Hand und flößte ihr das Wasser ein, sie war zu betrunken, um sich zu wehren.
»Noch«, brachte sie mit Mühe heraus.
Blut verschmierte den Rand des Bechers, ich füllte ihn wieder und hielt ihn ihr an den Mund, sie schlief ein, während das Wasser ihr noch durch die Kehle rann, und sank rückwärts auf den Boden. Ich warf den Becher in den Mülleimer und stand vor der Gestalt, die von irgendwoher aufgetaucht und auf meinem Küchenfußboden gelandet war. Ich hatte keine Ahnung, wen ich benachrichtigen sollte. Die Polizei? Den Notarzt? Beide? Sie würden kommen, mit einem Krankenwagen, sie abholen und verschwinden, und ich würde nie erfahren, woran die Frau litt, die hiervor meinem Küchentisch auf dem Boden lag, vor wem und vor was sie geflohen war. War sie angegriffen worden? War sie vor einem Verbrechen geflohen? Wie alt war sie? Siebzehn? Zwanzig? Ein Mädchen? Eine Frau? Ihr Körper war mager und jugendlich, mit kleinen Brüsten und einem dünnen Hals. Das Gesicht war hart. Das Leben hatte sie gezeichnet, hatte ihr Kinn spitz und ihre Kieferknochen hart gemacht und ihren Wangen die Weichheit und das Fleisch genommen. Sie schlief, als wäre ihr Gehirn vom Alkohol aufgeweicht, mit offenem Mund und verkrustetem Blut an den Lippen. Ich könnte sie auf den Bauch drehen, ihren Geldbeutel aus der Tasche ziehen und nach Hinweisen auf ihre Identität suchen. Sie war so dünn, ich könnte sie zur einzigen Straße ziehen, die das Dorf der Länge nach teilte. In der Dunkelheit der Neumondnacht trieben sich noch nicht einmal die Hunde draußen herum, und wenn ich sie zur Straße brächte, würde sie bis zum nächsten Morgen keiner stören, und am Morgen würde irgendjemand sie finden und etwas unternehmen, ich hätte das Meine jedenfalls getan.
Ich zog sie nicht woandershin, ich rief niemanden an, ich drehte sie nicht um und nahm ihr nicht den Geldbeutel aus der Hosentasche. Ich deckte sie mit einer alten Decke zu, machte das Licht in der Küche aus, ließ sie auf dem Fußboden zwischen dem Tisch und dem Spülbecken liegen, im Niemandsland zwischen den Problemen, die sie hatte und die sie noch haben würde. Ich stellte mir ein Klappbett neben das Kinderbett, um auf den Jungen aufzupassen, falls der Schatten, der auf dem Küchenboden lag, auferstehen und überraschend hereinkommen würde. Ich konnte nicht einschlafen. Sie war verletzt, vielleicht war sie dem Ende nahe, und was wäre, wenn sie neben meinem Tisch ihrLeben aushauchte? Wenn die Polizei erfuhr, dass in meiner Küche eine Leiche lag, würde man eine Erklärung verlangen, man würde mich als Hauptverdächtige betrachten und mich einsperren, solche Sachen hatte es schon gegeben. Ich sprang vom Klappbett und rannte in die Küche. Ihre Atemzüge glichen nicht dem abgehackten Schnaufen einer Sterbenden, sie waren regelmäßig und gaben Alkoholmoleküle frei, ein ganzer Weinkeller floss durch ihre Adern. Ich legte mich wieder hin. Nadavs Atemzüge gaben CO₂-Moleküle frei, und Unschuld. Er würde sie am Morgen entdecken, ich hatte die Benachrichtigung des Gesetzes auf den Morgen verschoben, etwas, was kein
Weitere Kostenlose Bücher