Wolf Shadow Bd. 4 - Finstere Begierde
fünfzehn war. Make-up geklaut, meine ich. Keine Brieftasche. Eigentlich sollte ich das nie erfahren, aber mein Vetter Freddy hat es mir erzählt, als er mir einen Heiratsantrag gemacht hat.“
Igitt. „Dein Vetter hat dir einen Heiratsantrag gemacht?“
„Vetter zweiten Grades, aber wir sagen alle einfach Vetter.“
„Du hast eine große Familie.“
Lily nickte und wartete.
„Ich habe keine Schwestern oder Vettern. Ich hatte eine Tante – sie ist der Grund, warum ich nicht noch mehr durcheinander bin als ohnehin schon –, aber sie hat nie eigene Kinder gehabt.“ Cynna fuhr mit den Händen in die Taschen ihres neuen Mantels. „Ich war ein echtes Klischee, als ich jung war, weißt du? Nicht bloß nur arm. Wir haben in einem richtigen Armengetto gelebt. Komisch, dass man das Wort heute nicht mehr so oft hört.“
„Ich glaube, dass die Leute denken, wenn man es umbenennt, dann löst sich das Problem vielleicht von allein.“
„Ja. Aber es funktioniert nicht, oder? Auch heute noch wachsen die Kinder so auf wie ich – ein abwesender Vater, eine betrunkene oder drogensüchtige Mutter. Ein paar der Klischees habe ich ausgelassen, vor allem, weil es diese Tante gab. Ich bin nicht aus der Schule geflogen, habe keine Drogen genommen oder bin … bin …“ Sie hielt inne und schluckte.
„Schwanger geworden?“, fragte Lily sanft.
Cynna legte den Kopf zurück und starrte die Stahlträger an, die kreuz und quer über das Gewölbedach über ihnen liefen. Nach einem Moment des Nachdenkens sagte sie: „Ich habe nicht hyperventiliert. Ich nehme an, ich mache Fortschritte.“
„Das könnte man so sagen. Willst du nun zur Fressmeile?“
Cynna schüttelte den Kopf. „Wir sollten lieber zurückgehen und Rules Kreditkarte holen. Ich traue dieser Verkäuferin nicht.“
„Okay.“ Sie kehrten um. „Hast du es ernst gemeint, als du sagtest, du wolltest einen Rock anprobieren?“
„Nein.“
Lily grinste. „Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit kannst du nicht anführen … Oh mein Gott.“ Sie blieb stehen. „Was tut sie denn da?“
Cynna konnte nicht erkennen, von wem Lily sprach, weil direkt vor ihnen eine Ansammlung von Frauen war – eine ältere Frau mit einer Tüte von Talbot’s , eine junge Mutter mit einem Baby, zwei Teenager, die um diese Zeit eigentlich in der Schule hätten sein müssen.
Auf einmal stand ein kleines, kahles Etwas drei Meter vor ihnen. Es hatte Brüste, orangefarbene Haut und spitze Zähne. Es – sie? – trug ein enges gelbes Kleid mit roten Punkten und grinste sie an. „Hi, Lily Yu!“
Die Teenager kreischten. Ein Mann im Anzug glotzte erst und wollte gerade mit seiner Aktentasche nach ihm ausholen.
„He!“ Es packte die Tasche mit beiden Händen. Jetzt sah Cynna auch den langen Greifschwanz, der ausschlug und sich um den Knöchel des Mannes legte. „Hast du das gesehen? Er hat nach mir geschlagen! Darf ich …“
„Nein“, sagte Lily laut und setzte sich eilig in Bewegung. „Lass ihn los und gib ihm seine Aktentasche wieder.“
„Aber er …“
„War einfach überrascht“, sagte Lily und zerrte an der Aktentasche. „Du hast ihm einen Schreck eingejagt.“
„Was zum Teufel ist das für ein Ding?“, wollte der Mann wissen.
Meine Worte. Aber Cynna sprach sie nicht laut aus. Lily schien das Dingsda unter Kontrolle zu haben, also kümmerte sie sich um die Teenager. Die eine schluchzte und klammerte sich an die andere, die Cynna misstrauisch ansah.
„Toller Effekt, was?“, fragte Cynna freundlich. „Ihr habt sie nicht … äh, kommen sehen, oder?“
Die Dunkelhaarige runzelte noch stärker die Stirn. „Nein.“
„Super! Und du heißt …?“
„Shauna. Und das ist Deanna.“ Shauna war immer noch misstrauisch, aber ihre Freundin hörte lange genug zu weinen auf, um dagegen zu protestieren, dass Shauna so leichtfertig ihre Namen preisgab, denn das, hatte ihre Mama gesagt, sollten sie nie, nie tun.
Wahrscheinlich hatte ihre Mama ihnen auch gesagt, dass sie nicht die Schule schwänzen sollten, aber darauf wollte Cynna jetzt nicht herumreiten. Immerhin waren die Mädchen nun nicht mehr hysterisch.
Lily hatte die Aktentasche erobert und übergab sie wieder ihrem Besitzer. „Pardon für den Schreck, Sir.“
„Aber er hat nach mir geschlagen!“, rief das orangefarbene Dingsda. Es war so groß wie ein Kind, aber gebaut wie ein zusammengedrückter Sumo-Ringer. Mit Brüsten. Sehr großen Brüsten. Und einem Schwanz. „Kannst du ihn nicht erschießen
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