Wolf
schnappte nicht etwa nach ihm, sondern nahm das Fleisch. Julian war so perplex, dass er seine Panik fast vergaß. Aber sein Herz hämmerte noch immer in seiner Brust, als wollte es jeden Moment ausbrechen.
Valerion bewegte sich seitlich, den Blick des Wolfes, der an ihn heran gekommen war, fixiert. Die anderen drei, waren auch näher gekommen, verhielten sich aber still, wie Julian feststellte. Ungefähr vier Schritte weit, bewegte Valerion sich in der Hocke, dann stand er auf. Sofort näherten sich die Wölfe, doch sie hielten wieder an. Warum auch immer. Noch immer hatte Valerion den Blick auf sie gerichtet, doch das konnte es nicht sein, oder doch?
Jetzt ging Valerion rückwärts auf den Zaun zu, drehte sich um und kletterte darüber. In seiner Angst, nahm Julian kaum wahr, wie geschmeidig und schnell er das machte. Fassungslos starrte er ihn an, als er praktisch neben ihm ankam.
„Mach das nie wieder“, verlangte er tonlos. Valerion hatte wohl einfach weggehen wollen, doch nun hielt er inne, wandte sich ihm zu. Lag da wirklich ein Lächeln um seine Lippen?
Julian war sich nicht sicher, denn Valerion wandte sich schon wieder ab.
„Was machst du überhaupt hier? Der Park hat noch geschlossen?“, wollte er weiter wissen, wobei sein Herz noch immer nervös pochte. Und seine Knie zitterten, wie er erst jetzt feststellte. Was hatte er erwartet? Eine Reaktion? Da enttäuschte Valerion ihn bitterlich. Eigentlich sollte Julian ihm nachgehen und ihn rauswerfen, aber er konnte sich nicht rühren. Noch hatte er das Gefühl, dass er einfach zusammenklappen würde, wenn er auch nur einen Schritt machen würde.
Nur langsam erholte er sich von dem Schock, kam endlich zu sich, sein Körper beruhigte sich wieder. Er wandte sich ab, wollte sich erst mal einen Kaffee machen, um endgültig wieder runter zu kommen. Was war nur in Valerion gefahren? Wie kam er dazu, sich dort einfach rein zu wagen?
Warum hatten die Wölfe ihm nichts getan?
Weil er sie studierte hatte, in den Stunden, die er vor ihrem Gehege verbracht hatte. Weil er wusste, wie sie reagierten, worauf sie reagierten. Trotzdem erschien es Julian lebensmüde zu sein, was er gemacht hatte. Gut, Julian war auch ins Gehege gestiegen, aber da hatte er vorgehabt, keinem Wolf zu begegnen. Auf die Idee sich einem so weit zu nähern, noch dazu während des Fütterns - nein, das war lebensmüde.
Er atmete noch einmal tief durch, betrat das Futterhaus und machte sich einen Kaffe. Während er den trank, kam auch sein Geist langsam wieder zur Ruhe.
Morgen würde er sich auf jeden Fall umsehen, bevor er das Füttern anging. Nicht dass Valerion noch einmal auf diese behämmerte Idee kam. Einmal hatte er Glück gehabt, das sollte man nicht herausfordern.
Er beeilte sich jetzt, die anderen Tiere auch noch zu versorgen, dann würde schon geöffnet werden. Wieder war ein schöner Tag, was hieß, viele Besucher. Trotzdem drehte er natürlich seine Runden, wie es verlangt wurde.
Valerion konnte er nicht entdecken. Als ihm bewusst wurde, dass er nach ihm Ausschau hielt, stockte er mitten im Schritt. Was war das wieder?
Naja, er wollte wissen, wie es ihm ging, beruhigte er sich selbst. Immerhin war er verletzt und hatte den Arm heute beansprucht. Er nahm sich diese Erklärung nicht mal selbst ab. Kopfschüttelnd setzte er seinen Weg fort, verkroch sich in den Pausen immer irgendwo im Schatten, wo ihn nicht so viele Leute belästigten.
Taten sie natürlich nicht, doch wenn sich die Massen durch die Gassen zwischen den Gehegen schoben, oder auf den schmalen Wegen im Wald drängten, hatte er immer das Gefühl, sie wollten ihn zerquetschen.
Den ganzen Tag lief ihm Valerion nicht über den Weg, was ihn die Stirn runzeln ließ. Er war die letzten drei oder vier Wochen täglich hier gewesen. Und jetzt lag er vermutlich zu Hause und schonte seinen Arm!
Er schalt sich selbst einen Trottel, dass er sich über den überhaupt Gedanken machte, aber so war es nun mal. Unwillkürlich überlegte er, ob der vielleicht studierte und frei gehabt hatte. Wenn er jetzt wieder an die Uni musste, würde er nicht mehr so viel Zeit hier verbringen. Aber das war wohl nicht der Fall, denn seines Wissens, hatte die Uni im Sommer doch wesentlich länger geschlossen?
Oder aber natürlich Valerion hatte einfach ein paar Wochen Urlaub und deshalb die Zeit gehabt, ständig hier abzuhängen.
Oder aber es ging Julian überhaupt nichts an und es sollte ihm vollkommen egal sein, wie und warum Valerion hier
Weitere Kostenlose Bücher