Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
mir das wünsche?«
»Charles, Sie sind doch ein intelligenter Mann. Sie wissen, dass Sie aufgeflogen sind. Spätestens nach dem Sturm auf die Staatssicherheit ist es höchste Zeit für Sie, sich in Sicherheit zu bringen. Ihre alten Freunde werden Sie für ein paar Dollar oder für die Aussicht auf Straffreiheit ans Messer liefern, wann immer sie die Gelegenheit dazu haben. Noch haben Sie die Chance, sich zu entscheiden. Ihr Gesicht ist bisher nur mir bekannt. Wenn Sie dieses Zimmer verlassen, sind Sie tot. Meine Kollegen aus den anderen Diensten warten schon. Egal, welche Grenzen Sie mit Ihrem Pass überschreiten wollen. Charles Saunders ist tot.«
Saunders erkannte, dass er in der Falle saß. Er hätte unbemerkt untertauchen können. Seine Freiheit war zum Greifen nah gewesen. Aber jetzt nicht mehr, da er enttarnt war und alle gezielt nach ihm suchen würden.
»Angenommen, Sie haben Recht. Wie sehen Ihre Vorstellungen aus?«, fragte er.
»Ich biete Ihnen eine Karriere in der westlichen Computerindustrie. Sie werden neue Horizonte des Nachrichtenwesens erkunden und uns stärker machen als je zuvor.«
»Warum ich?«
»Weil Sie über Fachkenntnisse verfügen und ausreichend Erfahrung in unserem Geschäftsbereich gesammelt haben. Sie wissen, worauf es ankommt. Diese Kombination findet man nicht oft.«
»Wie wollen Sie verhindern, dass mich jemand erkennt? Wenn ich Ihr Angebot annehme, wird es Bilder von mir in den Zeitungen geben, Fernsehinterviews …«
»Einige kleine optische Änderungen und die passende Geschichte. Glauben Sie mir, die Leute würden eher den Präsidenten der Vereinigten Staaten der Spionage verdächtigen als einen amerikanischen Selfmade-Millionär.«
Saunders schwieg und dachte nach. Er kannte das Geschäft zu gut und wusste, dass Redwood ihn in der Hand hatte. Auf der anderen Seite erfüllte der ehemalige Klassenfeind soeben seinen dringlichsten Wunsch.
»In Ordnung, James. Wie sehen die Details aus?«
»Nachdem ich mich nun schon an den Namen gewöhnt habe, denke ich, wir bleiben bei Charles. Was den Nachnamen betrifft, haben wir einige Vorschläge. Die endgültige Wahl bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen.«
1
Langley bei Washington. CIA-Zentrale. Zehn Jahre später.
»Wir dürfen Deutschland nicht aus den Augen verlieren«, sagte der Mann von der NSA.
»Was wollen Sie denn eigentlich noch? Der Finanzausschuss wird mich hochkant rauswerfen. Sie haben doch bereits eine Station dort«, hielt ihm der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten entgegen. »Bad …«
»Aibling. Bad Aibling in Bayern«, vervollständigte John Frankenheimer den Satz. »Das Außen- und insbesondere das Wirtschaftsministerium sind sehr zufrieden damit. Die Station hat uns bisher gute Dienste geleistet. Gablingen bei Augsburg mussten wir, wie Sie wissen, vom Netz nehmen. Es gab zu viel Aufregung. Aber ich gebe meinem Kollegen von der NSA Recht, wir dürfen uns nicht mit einer Station zufrieden geben. Denken Sie an die Europäische Zentralbank, die in Frankfurt entstanden ist. Sie ist der wahre Dreh- und Angelpunkt für die Europäische Union. Dort werden die Entscheidungen getroffen. Nicht in Brüssel oder Straßburg. Frankfurt ist es, an dem wir uns orientieren müssen. Nicht zuletzt wegen den Außenhandelsbeziehungen, die dort eingefädelt werden.«
Allgemeines Schweigen erfüllte den Raum, in dessen Mitte ein großer Konferenztisch platziert war. An ihm saßen Regierungsvertreter, CIA- und NSA-Leute und ein schweigsamer Charles Mendinski. Er war als Vertreter der amerikanischen Computerindustrie zum Gespräch eingeladen. An den Mienen der Männer war abzulesen, dass Frankenheimers Argument Wirkung zeigte. Allerdings schien seine Offenheit auch zu belasten.
»In erster Linie findet die neue Station ihren Einsatz in Sicherheitsfragen«, fügte der CIA-Mann hinzu. »Das Korruptionsaufkommen und die Strukturen der organisierten Kriminalität haben sich dramatisch erweitert. Es wird grenzüberschreitend gearbeitet. Mit nationalen Gesetzen kommen wir da nicht mehr weit. Nehmen Sie nur eine Überweisung von einem Bankkonto zu einem anderen. Das dauert nicht länger als drei Tage. Ein Rechtshilfegesuch an einen befreundeten Staat mindestens ein halbes Jahr, wenn es überhaupt beantwortet wird. Bevor wir tätig werden können, haben sich die bösen Jungs längst aus unserem Zugriffsbereich entfernt und lachen sich ins Fäustchen. Wir müssen dieser Entwicklung geschlossen entgegentreten und sie
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