Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
Tierkörperbeseitigungsanlage gefunden hat, nur der Köder für dich.«
Tannenberg zog die Schultern hoch. »Ja, es sieht wohl ganz danach aus.«
Am Abend dieses bilderbuchmäßigen Hochsommertages hatten sich Tannenbergs beste Freunde sowie seine gesamte Familie im Innenhof der beiden Häuser zu einer spontanen Geburtstagsfeier eingefunden.
Natürlich wusste jeder der Anwesenden, dass Wolfram Tannenberg eigentlich erst zwei Wochen später Geburtstag hatte. Aber niemand hatte protestiert, als er in seiner ihm ureigenen, autoritären und starrköpfigen Art verkündet hatte, den von ihm normalerweise nicht sonderlich zelebrierten Ehrentag in diesem Jahr vorzuverlegen.
Seine Begründung lautete schlicht und ergreifend: »Ich fühle mich heute wie noch einmal geboren. Und das ist ja wohl genügend Anlass, um eine spontane Jubelfeier abzuhalten.«
Jeder, der Tannenberg kannte, wusste aus leidiger Erfahrung, dass es keinen Sinn machte, gegen irgendeine seiner manchmal doch recht ungewöhnlichen Ideen zu opponieren. Denn entweder setzte er sie durch, oder aber – was allerdings nur selten vorkam – die Widerstände waren so stark, dass er sie nicht durchsetzen konnte.
Dann war er beleidigt. Aber nicht einfach nur beleidigt, sondern total beleidigt. Dies gestaltete sich in der Praxis dann so, dass er schlagartig verstummte, sich schmollend in seine Wohnung zurückzog und dort seine Stereoanlage derart aufdrehte, dass jeder, der diese demonstrative Protestbekundung mitanhören musste, sofort ein schlechtes Gewissen bekam.
Selbstverständlich hatte er auch Petra Flockerzie über den Grund seiner umterminierten Geburtstagsfete informiert. Sie hatte vor Freude fast in den Telefonhörer gebissen und sich zur Feier des Tages umgehend eine Diätpause verordnet. Weil sie wusste, dass ihr Chef leidenschaftlicher Erdbeerfan war, hatte sie in der teuersten Konditorei der Stadt drei Erdbeerkuchen nebst einer Megaportion Schlagsahne gekauft – und während einer anschließenden Fressorgie mindestens einen halben davon gemeinsam mit dem selbstdefinierten Geburtstagskind verspeist.
Irgendwann in den späten Nachmittagsstunden meldete sich Mertel telefonisch bei Tannenberg. Er teilte ihm mit, dass die LKA-Beamten angesichts des in Dr. Croissants Kellerraum vorgefundenen Datenmaterials hellauf begeistert seien und sich sicher wären, dass den Ermittlungsbehörden damit ein gewaltiger Schlag gegen das organisierte Verbrechen ermöglicht werde.
Des weiteren informierte er ihn darüber, dass man im Hause Carlo Weinholds neben einem kleinen Sprengstofflager ein Präzisionsgewehr gefunden habe, mit dem aller Wahrscheinlichkeit nach der Anschlag im Volkspark verübt worden sei. Abschließend übermittelte er im Auftrag des Oberstaatsanwalts und Kriminaldirektor Eberles beste Grüße. Man sei sehr erleichtert über die erfreuliche Wendung in diesem spektakulären Fall.
Als Tannenberg von seiner überglücklichen Mutter den Telefonhörer mit den gewisperten Worten »Wolfi, es ist jemand von der › PALZ ‹« überreicht bekam, weigerte er sich zunächst, das Gespräch entgegenzunehmen. Aber der Gesichtsausdruck der alten Dame war derart leidend, dass er sich schließlich doch geschlagen gab.
Es war der Chefredakteur höchstpersönlich. Er verkündete, dass man gerade an einer Sonderausgabe für den morgigen Tag arbeite. Der Aufmacher stehe bereits fest: ›Tannenberg – ein wahrer Held.‹ Eberhard Richter bat höflichst um ein Interview – das Tannenberg jedoch mit dem Verweis darauf, dass er gerade vor ein paar Minuten für viel Geld die Exklusivrechte an seiner Story an einen privaten Fernsehsender verkauft habe, leider ablehnen musste. Diese Aussage entsprach zwar nicht der Wahrheit, dafür aber war das Gespräch umgehend beendet.
Schadenfroh grinsend nahm Wolfram Tannenberg einen tiefen Schluck aus seinem Weizenbierglas. Während er sich den Schaum von den Lippen leckte, ließ er seinen zufriedenen Blick über die Menschen hinwegschweben, die ihm so unendlich viel bedeuteten.
Sabrina hatte den in einer schwarzen Schlinge stabilisierten Arm auf dem Gartentisch abgelegt und unterhielt sich angeregt mit Benny de Vries. Unmittelbar daneben saß Dr. Schönthaler und bedachte Tannenberg gerade mit einem konspirativen Augenzwinkern, das er zwar nicht einzuordnen vermochte, auf das er aber trotzdem mit einem freundlichen Nicken reagierte.
An der Gartenmauer stand unter einem weißblühenden Zierstrauch eine Holzbank, auf der Max
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