Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
eine Falle. Wir checken jetzt zuerst mal nacheinander jeden einzelnen Kellerraum durch.«
Die Aktion ging ebenso routinemäßig wie unspektakulär über die Bühne. Nur wenig später standen die Kriminalbeamten vor einer massiven Metalltür, wie man sie als Feuerschutz von Heizungskellern her kennt.
Mertel wollte sofort dem Schloss zu Leibe rücken, aber Tannenberg hielt ihn zurück. »Karl, warte, das kann eine Sprengfalle sein.«
»Du hast recht.«
Mit voller Stimmkraft schrie Tannenberg gegen die mausgrau gestrichene Tür: »Können Sie mich hören?«
»Ja«, antwortete eine stark gedämpfte Männerstimme. »Helfen Sie mir. Ich bin hier eingesperrt.«
»Gleich. Zuerst sagen Sie uns, ob innen an der Tür eine Sprengladung angebracht ist.«
»Eine was?«
»Eine Spreng-la-dung«, schmetterte er so laut er nur konnte.
»Nein«, kam es leise zurück.
»Gut. Können Sie uns die Tür öffnen?«
»Nein, ich bin gefesselt.«
»Karl, dann mach mal auf«, forderte Tannenberg.
Außer dem mit seinem filigranen Kunst-Handwerk beschäftigten Kriminaltechniker und dem unbewaffneten Gerichtsmediziner zogen alle ihre Pistolen, auch Benny de Vries, der natürlich genau wusste, dass er in Teufels Küche kommen könnte, wenn herauskäme, dass er im Ausland seine Dienstwaffe benutzte. Aber das war ihm, seitdem ihn sein Freund um Hilfe gebeten hatte, sowieso egal.
»Ist auf«, verkündete Mertel stolz.
Er zog nun ebenfalls seine Waffe, drückte die Klinke nach unten und gab dem schweren Türblatt einen kräftigen Schubs. Leicht quietschend öffnete sich die Tür und gab den Blick frei auf einen mit Kunstlicht durchfluteten Raum, der den staunenden Eindringlingen wie eine Mischung aus Gefängniszelle und Hightech-Büro erschien: Direkt in ihrer Blickrichtung waren auf einem riesigen Schreibtisch mehrere Computer und die obligatorischen Peripheriegeräte aufgebaut.
In dem fensterlosen, extrem schallgedämmten Kellerraum stand an der linken Seite an der weißgekalkten Wand ein pritschenähnliches Bett, auf dem ein an Händen und Füßen gefesselter und an einem in der Wand eingelassenen dicken Metallring angeketteter jüngerer Mann saß.
Tannenberg war völlig sprachlos.
»Wer sind Sie denn?«, fragte Geiger.
»Ich heiße Lukas Steiner. Man hat mich entführt und hier unten eingesperrt.«
» Wann hat man Sie entführt? Wer hat Sie entführt?«
»Komm, Geiger, lass mal gut sein«, pfiff Tannenberg seinen ungewohnt eifrigen Kollegen zurück. »Befreit erst mal den armen Kerl von seinen Fesseln.« Dann wandte er sich an Schauß, nahm ihn zur Seite und wies ihn an, zwei Streifenwagen und einen Krankenwagen zur Villa zu beordern.
Anschließend drehte er sich wieder Lukas Steiner zu und bedachte ihn mit einem prüfenden Blick. Der von den Toten wiederauferstandene Informatikstudent wirkte zwar verständlicherweise psychisch etwas angeschlagen, aber er erweckte keinesfalls einen verwahrlosten Eindruck. Er war mit kurzen blauen Sporthosen bekleidet. Sein eng anliegendes, weißes T-Shirt bedeckte seinen durchtrainierten Körper.
»Entschuldigen Sie, Herr Steiner, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt: Mein Name ist Wolfram Tannenberg, ich bin Hauptkommissar. Und das hier sind meine Mitarbeiter.« Ohne einen weiteren Kommentar präsentierte er seine Kollegen mit einer ausladenden, halbkreisförmigen Armbewegung.
»Ach, wissen Sie was, mir ist es völlig egal, wer Sie sind, die Hauptsache, Sie holen mich hier endlich raus«, entgegnete Steiner, dessen Erleichterung jeder Beobachter aus seinem Gesicht ablesen konnte.
Absichtlich hatte Tannenberg bei seiner Vorstellung auf den Zusatz ›Mordkommission‹ verzichtet. Schließlich war durchaus davon auszugehen, dass Lukas Steiner von der Ermordung seiner Freundin noch nichts wusste. Er entschied sich, diesen Umstand auszunutzen und ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen, die Wahrheitsliebe des Studenten einem kleinen Test zu unterziehen.
»Wieso wurden Sie eigentlich entführt? Was hat man denn damit bezweckt? Wollte man etwa ein Lösegeld erpressen?«, fragte Tannenberg mit gespielter Naivität.
Lukas Steiner antwortet zunächst nicht, sondern zuckte lediglich ein paarmal mit den Achseln. Er rieb sich dabei die schmerzenden Handgelenke, erhob sich vom Bett und reichte nacheinander jedem der Kriminalbeamten dankbar die Hand. Dann stellte er sich vor Tannenberg, dem er besonders lange die Hand drückte.
»Das weiß ich doch auch nicht, Herr Hauptkommissar«, sagte er
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