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Wolfsinstinkt

Wolfsinstinkt

Titel: Wolfsinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Seidel
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schloss und sein Atem ruhiger wurde. Er saß noch eine ganze Weile da und streichelte das verletzte Tier. Irgendwann stand er auf und ging auf die Veranda hinaus. Es hatte angefangen zu schneien. Mit einem leisen Seufzer nahm Ricky die blutige Decke aus dem Schnee, mit der er den Hund transportiert hatte, kam zurück ins Haus und verschloss schnell die Tür.
    Schnee hin oder her; er musste heute auf jeden Fall ins Dorf und wenigstens etwas zu Essen kaufen. Immerhin galt es jetzt nicht mehr einzig, seinen Magen zu füllen.
    So leise er eben konnte, begann er ein bisschen aufzuräumen und den geschmolzenen Schnee aufzuwischen. Er fand sogar eine weitere Decke, die er so um den Hund drapierte, dass der es weich und gemütlich hatte und nicht aus Versehen wegrutschte. Irgendwann fand er keine Ausrede mehr, um im Haus zu bleiben. Mit einem wehleidigen Seufzen Richtung Schneegestöber griff er zu seiner Jacke. Das Feuer noch einmal angefacht und sich selbst dick eingepackt, verließ er das Haus. Er hatte eigentlich nichts gegen Schnee, aber hier kannte er sich einfach nicht sonderlich gut aus, einen Wagen hatte er obendrein nicht – ganz zu schweigen von dem Führerschein, den sie ihm entzogen hatten –, und die Rettung des Hundes hatte ihn ziemlich viel Kraft gekostet. Die Aussicht auf einen Fußmarsch ins Dorf und den Rückweg mit vollem Rucksack war nicht sonderlich verlockend.
    Es dauerte über eine Stunde, bis er das Dorf erreichte, wobei er froh war, sich nicht verlaufen zu haben. Er betrat den kleinen Laden und wurde sofort von den Anwesenden neugierig beäugt. Natürlich, es sprach sich herum, wenn man neu in eine solche Gegend zog. Ricky hatte gedacht, mit Argwohn und Skepsis betrachtet zu werden; die Verkäuferin, die auf ihn zukam, war allerdings freundlich und half ihm, sich bei der kleinen Auswahl, die der Dorfladen zu bieten hatte, zurechtzufinden.
    Als er eine Packung Hundefutter mit zu den Waren in den Wagen legte, schaute ihn das Mädchen erstaunt an.
    „Sie haben einen Hund?“, fragte sie mit einer angenehm hellen Stimme, die Ricky zum Lächeln brachte.
    „Mir ist einer zugelaufen“, antwortete er wahrheitsgemäß.
    Einen Augenblick lang runzelte die Verkäuferin die Stirn, und Ricky fragte sich, was das wohl für einen Grund haben mochte. War es denn so ungewöhnlich, wenn einem hier in der Wildnis ein Hund zulief?
    „Zugelaufen, sagen Sie?“ Die Verkäuferin schien sich wirklich zu wundern.
    „Ja“, sagte Ricky, stapelte drei weitere Schachte l n in den Wagen und sah anschließend zu ihr auf. „Wissen Sie vielleicht, wo er hingehört?“
    Inzwischen hatten die anderen Kunden im Laden die Ohren gespitzt und gafften zu ihnen herüber. Ri cky hob überrascht die Brauen. Hoffentlich hatte er nicht gegen irgendwelche Dorfregeln verstoßen, indem er einen verletzten Streuner bei sich aufgenommen hatte.
    „Nein. Soweit ich weiß, wird hier im Dorf keiner vermisst, und andere Siedlungen sind zu weit entfernt“, sagte sie und lächelte kurz. „Entschuldigen Sie mich bitte, Sie kommen zurecht?“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand sie zwischen den Regalen. Ricky war vollkommen verwirrt. Er blinzelte in die neugierigen Gesichter, und immer, wenn sein Blick den eines anderen traf, taten auf einmal alle beschäftigt.
    Ricky atmete tief durch und schob den kleinen Einkaufswagen weiter. Die Augen starr geradeaus gerichtet, passierte er ein Weinregal, warf ein paar Knabbereien in den Wagen, bevor er ihn unsicher in Richtung Kasse lenkte. Die Verkäuferin wartete dort bereits auf ihn. Ob er ihr nicht noch ein paar Informationen abringen konnte?
    Während er seine Waren auf das kurze Band legte, glaubte er, hinter sich gemurmelte Worte wie ein Rauschen von Wind in den Bäumen zu hören, zu dumpf und undeutlich, um sie sicher zu verstehen. Wenn er sich umdrehte, verstummte das Raunen abrupt. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Das war unheimlich ... So unheimlich, dass er zuletzt froh war, wieder in der Kälte auf der Straße zu stehen. Richtige Informationen hatte er nicht mehr erfahren, doch das war zweitrangig. Trotz seiner überstürzten Flucht aus dem Geschäft war er stolz auf sich: Er hatte nicht einen Tropfen Alkohol gekauft.
    Ein Schrei sorgte dafür, dass er vollkommen aus den Gedanken gerissen wurde. Er sah sich um. Im nächsten Moment kam eine junge Frau um die Ecke gerannt. Sie ruderte wild mit den Armen und schrie immer wieder wild auf.
    „Hilfe! Basta ist los!“, rief sie.

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