Wolfsinstinkt
„Basta ist los! Er hat sich befreit!“
Ein paar Männer eilten herbei, um sie zu empfangen und zu beruhigen. Auch Ricky zog es nun in ihre Richtung. Er eilte den Menschen nach und lauschte der aufgeregten Frau.
„Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Als ich nach Hause kam, stand er in meinem Garten und ich … ich muss doch ins Haus. Meine Tochter.“
„Keine Sorge.“ Ein älterer Mann legte ihr die Hände auf die Schultern. „Das kriegen wir schon hin. Wir locken den Köter einfach mit etwas Fleisch.“
„Locken?“ Ein anderer trat vor. Er war groß und kräftig und Ricky entging nicht, dass er sauer war. „So ein Unsinn. Wir beenden das Thema jetzt einfach! Ich knall das Mistvieh ab!“
Ricky zuckte zusammen, als der Kerl davon stampfte, zweifellos um sein Gewehr zu holen.
„Nein!“, rief er, ohne lange darüber nachzudenken. Die Köpfe wandten sich ihm zu. Er schluckte und lächelte verlegen. „Ihr könnt ihn doch nicht erschießen.“
Die Frau, die eben noch so panisch gewesen war, stemmte die Fäuste in die Seiten und sah ihn herablassend an.
„Ach nein? Dann sag mir doch mal, wie ich an diesem Monster vorbei in mein Haus kommen soll. Der terrorisiert uns jetzt schon seit einer Ewigkeit und es ist noch schlimmer geworden, seit sein Herrchen im Krankenhaus ist.“
Ricky rieb sich die eigenen Daumen und kaute nervös auf seiner Unterlippe herum.
Er atmete tief durch. „Ich werde ihn aus Ihrem Garten holen.“
Ein leises Murmeln kam auf. Ricky spürte förmlich, dass sie ihm das nicht zutrauten, aber das war ihm egal. Wie sollten sie ihn auch einschätzen können? Sie kannten ihn nicht.
„Also gut. Wenn du meinst, dass du das schaffst“, sagte die Frau. Sie deutete in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Aber wenn du es nicht schaffst, dann wird er erschossen.“
Ricky rümpfte die Nase und nickte. Das würden sie dann ja sehen. Erst einmal wollte er sein Glück versuchen und dem armen Tier so vielleicht das Leben retten.
Er lehnte die Tasche mit den Einkäufen an einen Zaun und marschierte in die angegebene Richtung los. Hinter sich hörte er die Schritte der Frau und des älteren Mannes. Nach nur wenigen Metern stand er vor einem hübschen weißen Gartenzaun, hinter dem ein gepflegter Vorgarten zu einem kleinen Häuschen führte. Und in diesem Vorgarten stand ein zotteliger weißgrauer Hund, der aufmerksam den Kopf wandte, als er hinter sich Geräusche hörte. Zwei Sprünge reichten dem Tier, um zum Zaun zu gelangen. Er legte die Ohren an, knickte die Hinterläufe leicht ein und fletschte die Zähne. Bedrohliches Knurren drang an Rickys Ohren.
„Oh Gott!“, hörte er die junge Frau hinter sich, doch er drehte sich nicht mehr um. Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, als er das Kinn anhob, den Hund fixierte und auf ihn zuging.
„Du bist ein guter Hund“, murmelte er, als er beobachtete, wie der Hund die Nüstern blähte und in seine Richtung witterte. Der Wind stand günstig und trug seinen Geruch direkt zu dem Tier.
Ohne Angst öffnete er die Gartentür und betrat das Grundstück. Kaum stand er dem Hund ohne Zaun dazwischen gegenüber, ging er in die Hocke, ließ das Tier dabei aber keine Sekunde aus den Augen.
Der Hund setzte sich, gab einen Laut von sich, eine Mischung aus Winseln und Bellen, und legte sich dann vor ihm ab. Aber damit nicht genug. Der Hund robbte auf ihn zu und rollte sich schließlich vor ihm auf den Rücken.
Ricky streckte die Hand aus, fasste ihm einen Moment um die Kehle, was den Hund noch jämmerlicher winseln ließ. Dann lockerte er den Griff wieder und kraulte dem Tier den Bauch. Na also, wo war der arme Kerl denn gefährlich? Ricky wollte lieber nicht wissen, wie oft dieser Hund schon mit Steinen oder Stöcken beworfen worden war, um ihn zu vertreiben. Kein Wunder, dass er den Menschen nicht traute.
Er stand auf und klopfte sich gegen den Oberschenkel.
„Na komm“, sagte er leise. „Ich bring dich nach Hause.“
Als er sich umdrehte, sah er die Frau und die beiden Männer, von denen der eine tatsächlich ein Jagdgewehr in den Händen hielt, mit großen Augen ungläubig auf die Szene starren.
„Wo gehört er hin?“, fragte Ricky, als sei es nichts Besonderes, dass ein an sich gefährlicher Hund bei ihm so unterwürfig reagierte.
„Da drüben ist sein Zwinger.“ Die Frau deutete auf das Nachbargrundstück.
Ricky seufzte und nickte, sagte aber nichts dazu.
Basta lief schwanzwedelnd neben ihm her, als er sich in
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