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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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wollte ich sehen, was los war, ohne selbst gesehen zu werden.
    »Das nützt dir gar nichts, Abs. Ich kann dich sowieso hören.«
    Es war Hunters Stimme. Vor Schreck presste ich die Hand auf den Mund und hielt inne.
    »Jetzt komm schon. Sei nicht lächerlich. Ich kann dich deutlich riechen, Liebling. Was für ein interessanter Geruch das ist!«
    Notgedrungen trat ich ins Licht der Küche. Was ich dort aber sah, kam so unerwartet, dass ich auf der Türschwelle stehen blieb und mit weit aufgerissenem Mund zu begreifen versuchte welche Szene sich mir hier bot.
    Hunter wirkte nicht im mindesten überrascht oder verwirrt, mich zu sehen.
    »Hallo, Abs«, begrüßte er mich lässig, ohne aufzusehen. »Noch immer Vegetarierin oder hättest du jetzt doch Lust auf ein bisschen Fleisch?«

37
    Für einer unendlich langen Augenblick hoffte ich entgegen aller Vernunft, dass Hunter nur dabei war, ein spätes Abendessen oder ein sehr kräftiges Frühstück zu kochen. Da stand mein Mann – zwar mit einem wilden Bart im Gesicht, aber auch mit einem eleganten burgunderroten Hemd und einer schwarzen Jeans angetan – und schnitt Fleisch auf einem Brett, während auf dem Gasherd hinter ihm etwas in einem Topf leise vor sich hinköchelte.
    »Hunter.« Meine Stimme klang hysterisch. Er lächelte kalt.
    »Du hast aber lange gebraucht.« Er ging erstaunlich geschickt und schnell mit dem Messer um, wenn man bedachte, dass er nur selten kochte. Zuerst hielt ich das, was er da zerschnitt, für Hühnerfleisch. Doch dann sah ich es mir genauer an. Vielleicht war es auch Kaninchen. Oder Katze.
    »Was tust du da, Hunter?« Ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte.
    Ein erneuter Schrei ließ mich zusammenzucken und nach hinten in den Gang blicken. Hunter hob gelassen das schwere französische Messer und durchschnitt einen Knöchel, der vor ihm auf dem Brett lag.
    »Was war das?«

    Als er aufblickte, zeigten seine Augen das hässlichste Gelb, das ich jemals gesehen hatte. »Das war ein Schrei. Und was ich hier mache? Das ist doch ziemlich eindeutig. Oder findest du nicht? Ich richte mich hier häuslich ein. Das hier hätte schon immer mein Zuhause sein sollen. Und jetzt ist es das auch endlich.«
    Inzwischen hatte ich genügend Zeit gehabt, um das getigerte Fell zu bemerken, das von dem Kadaver abgezogen worden war. Und das Blut, das in das alte Holzbrett eindrang. »Du widerliches Arschloch«, zischte ich atemlos vor Wut. »Warum tust du das?«
    Er hieb mit dem Messer auf ein weiteres Gelenk ein. »Weil du mir etwas schuldest.«
    »Ich schulde dir etwas?«
    Hunters Lippen verzogen sich zu einem boshaften Grinsen. »Genau, Abra. Du schuldest mir etwas. Die ganzen Jahre über hat mein Vater deine verdammte Ausbildung bezahlt, während deine Mutter ihr Geld für diese widerwärtigen kranken Katzen verschleudern musste. Du schuldest mir also ziemlich viel, würde ich sagen, wenn man alles so zusammenrechnet. Aber nicht nur das. Du schuldest mir auch etwas dafür, dass du mich jahrelang in diesem dumpfen Leben festgehalten und dich geweigert hast, eine Änderung unserer Lebensumstände auch nur in Betracht zu ziehen, obwohl gerade dies für meine Karriere und mich sehr wichtig gewesen wäre. Auch dafür schuldest du mir etwas. Und zwar nicht zu knapp, Liebling.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Welche Änderung meinte er? Meinte er damit seinen Wunsch, sich in einen Wolf zu verwandeln? Und was hatte Hunter jemals von mir gefordert, was ich ihm verweigert hatte?

    »Hunter«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Ich verstehe überhaupt nichts. Was willst du damit sagen? Wirfst du mir etwa vor, dass ich meine Mutter nie um Geld für uns gebeten hätte – oder was?«
    Hunter kam um den Tisch herum auf mich zu. Jetzt befand sich nichts mehr zwischen uns. Es gab nur noch ihn, mich und das riesige Messer in seiner Hand. »Du solltest auch deinen Vater nicht vergessen, Liebling. Bist du jemals auf die Idee gekommen, ihn zu fragen, ob er mir vielleicht mit seinen Kontakten beruflich weiterhelfen könnte? Hast du irgendetwas unternommen, um mir zu helfen? Damit ich richtig Karriere machen kann?«
    »Mein Vater hat dich nie gemocht. Und meine Mutter sowieso nicht. Was sollte ich denn tun, Hunter...«
    Sein Messer flog an meiner Wange vorbei und bohrte sich neben meinem Kopf in die Wand hinter mir. Hunter trat noch einen Schritt näher. Er stützte die Arme so an der Wand ab, dass ich dazwischen gefangen war. Dann kam er so nahe, dass er

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