Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
Vom Netzwerk:
mich anspuckte, als er weiterredete.
    »Vielleicht hast du mich nicht genügend vor ihnen verteidigt. Vielleicht hat es dir ja ganz gut in den Kram gepasst, dass Mami und Papi auf der einen Seite standen und ich auf der anderen. Oder vielleicht hast du auch nie an jemand anderen als an dich selbst gedacht.«
    Diesmal brach der erneute Schrei plötzlich ab. Ich riss das Knie hoch und traf Hunter mit voller Wucht zwischen den Beinen. Als er sich vor Schmerz wand, duckte ich mich unter seinem Arm hindurch und rannte aus der Küche.
    Im Foyer stürzte ich die Treppe hinauf, wobei ich drei Stufen auf einmal nahm. Für einen Moment verlor ich fast das Gleichgewicht, fing mich aber gerade noch rechtzeitig
und stieß dann die Tür zum Schlafzimmer meiner Mutter so heftig auf, dass der Knauf laut gegen die gegenüberliegende Wand knallte.
    »Mom!«
    Es war nicht meine Mutter, es war Magda. Sie saß vor der Spiegelkommode und trug ein hinten offenes, lilafarbenes Bob-Mackie-Paillerrenkleid, das meine Mutter in den achtziger Jahren oft angehabt hatte. Ihre kurzgeschnittenen dunklen Haare mit der weißen Strähne passten eigentümlich gut zu dem auffälligen Kleid. Sie sah wie eine böse Hexe aus einem Disney-Film aus, bereit für ihren großen Auftritt.
    »Oh, hallo, Abra. Gut, dass du kommst. Ich brauche jemanden, der mir den Reißverschluss zumacht.« Magda drehte sich zu mir und lächelte. In einem Winkel ihres schönen Mundes war der Lippenstift verschmiert. Beim näheren Hinsehen stellte ich fest, dass es nicht Lippenstift war. Es war Blut. Das hat sie alles für mich inszeniert, dachte ich. Das ist ihr großer Auftritt, sie ist der Star.
    »Wo ist meine Mutter?« Ich zitterte, als ich sie so in den Sachen meiner Mutter sah.
    »Meinst du diese schwerfällige Blondine? Die ist deine Mutter? Tut mir leid, aber dein Freund ist gerade dabei, sie zu verspeisen.« Magda zeigte auf das Bett hinter ihr, wo ein Haufen Kleidungsstücke lag. Als ich genauer hinschaute, entdeckte ich eines der alten Filmkostüme meiner Mutter, das blutdurchtränkt war.
    »Wo ist sie?«
    »Manche Männer verlieren einfach die Kontrolle, wenn sie sich verwandeln. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Oder bist du so naiv, dass du das alles für ein vergnügliches Ficken gehalten hast?«

    Sie stand auf und trat zu mir. Ihr Atem roch nach rohem Fleisch. Ich ließ mich auf das Bett fallen. Tränen stiegen mir in die Augen, ich rang nach Luft.
    »Hunter ist jetzt ziemlich wütend auf dich, was?«, fuhr Magda fort. »Der Wolf in ihm ist erst nach und nach erwacht. Aber weißt du was? Tief in seinem Inneren, wo Leidenschaft und Instinkte herrschen, da hat er dich schon seit langem verachtet und gehasst.«
    Ich atmete so heftig, dass ich mich beinahe verschluckte. Doch trotz meiner Panik und dem Schock meldete sich meine nüchterne kleine Nonnenseite zu Wort, die auch jetzt noch in der Lage war, praktisch und klar zu denken. Sie macht das alles absichtlich, dachte die Nonne. Das ist nur ein Theater, das für dich aufgeführt wird.
    Ich sah Magda durch einen Schleier aus Tränen und wahnsinnigem Hass an. »Beantworte endlich meine Frage. Wo ist meine Mutter?«
    »Keine Ahnung, wohin sie dein Kojote geschleppt hat. Am besten folgst du der Blutspur. Oder funktioniert dein Geruchssinn noch nicht so gut?«
    Sie trat wieder an den Spiegel und betrachtete bewundernd den Stoff, der ihre Brüste umspielte. »Glaubst du, ich darf das behalten? Was meinst du? In Rumänien gibt es nicht viele Gelegenheiten, sich herzurichten. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass dein Mann und ich jetzt öfter weggehen, solange wir hier sind.«
    Ich sah sie an und verspürte einen solchen Zorn in mir, dass meine Wolfssinne endlich zum Leben erwachten. Jetzt konnte ich den Geruch ihrer Erregung wahrnehmen. Sie legte es darauf an, dass ich sie angriff. Sie wollte mich ein für alle Mal ausschalten.

    Aber ich konnte nun auch die Blutspur meiner Mutter riechen. Meine geschärften Sinne nahmen sie auf dem dunklen Holzboden wahr. Ich musste meine verletzte Mutter finden, musste den Spuren an den Wänden und den Dielen folgen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren sprang ich auf und verließ eilig das Zimmer.
    Ich entdeckte meine Mutter in meinem alten Kinderzimmer. Sie lag nackt auf dem Bett. Ihre Haut sah viel zu bleich aus. Jemand hatte ihr rechtes Handgelenk notdürftig verbunden, sie selbst presste sich die Hand gegen die Brust.
    Red kauerte in einer Ecke, die so weit wie möglich von

Weitere Kostenlose Bücher