World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
irgendwo ein zusätzliches Teil ist, eine dingliche Falltür. Computerchips wurden ursprünglich in den USA erzeugt, aber mittlerweile kommen sie überwiegend aus Asien. Die amerikanische Regierung hatte früher eine eigene Chipfabrik, die sogenannte Fab, ein Kürzel für »fabrication facility«. Aber diese Produktionsanlage hat den Anschluss an die technologische Entwicklung verpasst und kann die für moderne Systeme benötigten Chips nicht herstellen. Vor kurzem gab AMD, der zweitgrößte Chipproduzent der Welt, seine Absicht bekannt, im Norden des Bundesstaats New York die modernste Produktionsstätte der Welt zu errichten. Sie wird teilweise von der Regierung finanziert werden – allerdings nicht von der amerikanischen: AMD hat sehr viel Kapital aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten.
Es ist nicht so, dass die Verantwortlichen in Washington die Augen vor dem Problem der Globalisierung von Soft- und Hardware verschließen würden. In seinem letzten Amtsjahr setzte Präsident George W. Bush seine Unterschrift unter das Geheimdokument PDD-54, in dem die Schritte beschrieben werden, die erforderlich sind, um die staatlichen Einrichtungen besser vor den Attacken von Netzkriegern zu schützen. Zu den Vorhaben zählt Berichten zufolge eine Initiative für die Sicherheit der Lieferketten, aber es wird der amerikanischen Regierung schwerfallen, ausschließlich Soft- und Hardware zu beschaffen, die in den Vereinigten Staaten unter sicheren Bedingungen erzeugt wurde. Gegenwärtig wäre es sogar schwierig, überhaupt solche Produkte zu finden.
Aus dem Cyberspace gesteuerte Maschinen
Weder die Mängel im Aufbau des Internets noch die Schwachstellen von Soft- und Hardware sind eine ausreichende Erklärung dafür, dass es möglich ist, Computer in Angriffswaffen zu verwandeln. Wie kann es sein, dass eine zerstörerische Macht aus dem virtuellen Raum in die reale Welt eindringt und dort schwere Schäden anrichtet?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir in die neunziger Jahre zurückkehren, als die Industrie rasch das Internet als Tätigkeitsfeld entdeckte und vernetzte Systeme aufbaute. In diesem Jahrzehnt predigten die IT-Unternehmen ihren Kunden, dass sie viel Geld einsparen könnten, indem sie Computersysteme einführten, die ihre Betriebsabläufe erheblich vereinfachen würden. Die neuen Verfahren gingen weit über E-Mail und Textverarbeitung hinaus und erstreckten sich auf die automatisierte Steuerung, die Lagerhaltung, die Just-in-time-Lieferung, die Datenbankanalyse und sogar begrenzte Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Ein Unternehmensleiter aus dem Silicon Valley erzählte mir Ende der neunziger Jahre begeistert, wie er diese Verfahren in seiner eigenen Firma angewandt hatte: »Jemand will eines deiner Produkte kaufen und besucht deine Website. Er passt die Konfiguration des gewünschten Produkts seinen Bedürfnissen an und drückt auf den Knopf KAUFEN. Unser System benachrichtigt die Hersteller der Bauteile, plant den Transport der Teile ins Montagewerk, die Fertigung und die Lieferung. In der Fertigungsanlage setzen Roboter das Produkt zusammen und stecken es in eine Schachtel, auf der ein Etikett mit der Lieferadresse klebt. Der Server, auf dem die Bestellung abgegeben wurde, gehört uns ebenso wenig wie die Werke, in denen die Bauteile erzeugt werden. Wir besitzen weder die Fertigungsanlage noch die Beförderungsmittel. Es wird alles fremdbeschafft und just in time geliefert.« Sein Unternehmen war der Eigentümer der Forschungsabteilung, des Entwicklungsteams und einiger übergeordneter Funktionen. In Unternehmen wie diesem und in der US-Wirtschaft im Allgemeinen erreichte die Rentabilität neue Höchstwerte.
Ermöglicht wurde all das in den neunziger Jahren durch das Eindringen informationstechnologischer Systeme in sämtliche Unternehmensbereiche. In vielen Industriezweigen wurden Steuerungsabläufe, die man einst von Hand hatte aktivieren müssen, nun von digitalen Prozessoren übernommen. Stellen Sie sich die Fabrik oder das Montagewerk des 20. Jahrhunderts vor, wo ein Mann mit Schutzhelm einen Anruf von seinem Vorgesetzten erhielt, der ihn anwies, ein Ventil zu überprüfen und auszurichten oder eine Einstellung zu ändern. Ich kann mir die Szene lebhaft vorstellen, mein Vater arbeitete in einem solchen Werk. Heute werden in fast allen Industriezweigen weniger Arbeitskräfte benötigt. Digitale Steuersysteme überwachen die Abläufe und übermitteln Anweisungen an Motoren,
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