Worm
supercoole fraktale Bilder erzeugte, die er auf T-Shirts kopierte und verkaufte; T. J., der seinen Kumpels an der Florida State University zu kostenlosen Filmen und Musikdateien verhalf; und ein anderer, der es vorzieht, ungenannt zu bleiben, der die Schutzvorkehrungen der kommerziellen Online-Game-Anbieter knackte, damit er umsonst zocken konnte. Diese Leichtigkeit im Umgang mit Computern und Netzwerken, die Fähigkeit, sich durch die Abwehrschilde leistungsstarker Systeme hindurchzutüfteln, war auf ihre Weise eine Art Superheldenfähigkeit – Ladies und Gentlemen, die Wahrheit lautet, dass es Mutanten tatsächlich gibt und dass sie unter uns sind. Selbst das übliche Alter-Ego-Stereotyp, hier der Superheld, da seine verkopfte, unbeholfene zivile Ausgabe, passte, denn kaum einer dieser Typen war als Person imponierend oder gar in irgendeiner Weise einschüchternd. In ihren Alltagsjobs waren sie unauffällige Techies, Männer, deren Konversation beim Gegenüber unweigerlich den »Blick« hervorrief. Aber hier draußen, in der Cyberwelt, waren sie nichts Geringeres als die Gesalbten, die Wächter, die Auserwählten: nicht nur diejenigen, welche die Gefahr sehen konnten, die niemand sonst sah, sondern auch die Einzigen, die sie aufhalten konnten. »W ir bilden im Moment die letzte Verteidigungslinie … Außer uns gibt es niemanden«, schrieb T. J. ziemlich zu Beginn an die Gruppe. »Ihr seid die klügsten Köpfe in der Sicherheitsindustrie … Wenn nicht wir, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann dann?«
Sie waren heiß auf den Kampf.
Aber wir greifen den Dingen vor …
Mitte Dezember 2008 stand der Chatkanal, ein privater Listserver – die Mailingliste – , auf dem diese X-Men des echten Lebens, Rick Wesson, Rodney Joffe, Andre DiMino und die anderen, Strategien ausheckten, Erkenntnisse austauschten, Maßnahmen koordinierten und einen kontinuierlichen Dialog führten. Alles, was auf die Mailingliste gestellt wurde, stand der gesamten Gruppe zur Verfügung, und der Großteil davon befasste sich mit den Einzelheiten der technischen Analyse, der Code-Entschlüsselung, der Sinkholing-Operation und dergleichen mehr. Die meisten Einträge sahen ungefähr so aus:
MD 5: 38c3d2efdd47b1034b1 624 490ce1f3f2
>> SHA 1: c6c1ed21ea15c8648a985dbabc8341cf1e3aa21e
>
>> Das ist die entpackte Version, und sie wurde am Montag von VirusTotal verschickt.
Oder so:
> <>
Ein fester src Port und Linux pOf; mehrere Dutzend GET s in weniger als 3 Sekunden … Das sieht nach einem möglichen Skript aus. Andere haben einen Python-urllib/2.6 User Agent festgestellt.
Hin und wieder aber nutzten die verschiedenen Mitglieder der Arbeitsgruppe die Liste auch als Rednerpult oder Sprachrohr, stellten Spekulationen an, warfen Vorschläge in die Runde, lobten, lamentierten, kritisierten, und das manchmal mit erstaunlicher Eloquenz. Geht man diese Wortwechsel und Erörterungen durch, erhält man eine detaillierte, zum Teil im Minutentakt aufgezeichnete Chronik des Abwehrkampfs gegen Conficker. Die Geschichte dieses bemerkenswerten technologischen Dramas, das man mit einigem Recht auch als den Ersten Internet-Weltkrieg bezeichnen könnte und das sich fast vollständig verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit abspielte, entfaltet sich also in Form einer Abfolge von Botschaften und darin nicht unähnlich einem Briefroman aus der Feder Samuel Richardsons.
Je virulenter die Bedrohung durch Conficker wurde, desto mehr galt die Zugehörigkeit zu den X-Men als eine Art Statusbeweis. Hier war ein Trupp Krieger, die für das Internet, ja für die Zivilisation in den Kampf zogen. Das mag kitschig klingen, aber genau so war es. Die meisten Gründungsmitglieder kannten einander gut: Paul Vixie schrieb in einem seiner ersten Postings auf der Mailingliste: »W ann immer ich zu einer Sicherheitsliste eingeladen werde, halte ich Ausschau nach [den üblichen Verdächtigen] und ein paar anderen Stammgästen, und wenn ich sie nicht sehe, weiß ich, dass sie spätestens in ein paar Wochen dabei sein werden. Manchmal nominiere ich sie sogar selbst, um die Spannung herauszunehmen.« Wer aufgenommen werden wollte, brauchte jemanden auf der Liste, der sich für ihn verbürgte, und nicht alle, die dazugehören wollten, wurden auch aufgenommen. »Ich komme mir vor wie auf der Highschool« , schrieb Rick Wesson, aber in Wahrheit gab es auf der ganzen Welt nur ein paar Hundert Leute, die gut genug
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