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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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auf der Karte. Herrn W. aus Meran wurde im Hotel Corona in Tirano »Kotelett zur Mailänderin« angeboten (aber auch »Wirdtollwütig Pennette« sowie »Ich schneide ein Gewinde zum grünen Pfeffer oder dem Gitterrost«). In Fiesole fand Frau M. aus Baden-Baden »Ausgemachtenudeltucke mit kleine Gemüse«, Frau S. aus Coburg las auf den Zattere in Venedig das Angebot »Nudelspein« im Menü und entschied sich dann lieber für »Wrüstel«. Und Frau D. aß zum Dessert in Desenzano »Tartufo schwarzer weißer Mann oder«. Schließlich diese unfassbare Nachricht: Frau von Z. aus Schwabing berichtet von einem Hotelrestaurant in Abano Terme, in dem auf der Karte »Der Schwanz des Anglers« stand. (Es ging um eine coda di rospo , einen Seeteufel, wobei coda eben auch Schwanz bedeutet und der Seeteufel im Deutschen einen zweiten, seltener benutzten Namen hat, Angler nämlich, anglerfish sagt der Engländer.)
    Internationale Küche . Hier möchte ich den Brief von Frau S. aus München zitieren, die auf der Isla Margarita in Venezuela eine »Sauce de tartare« sah, die auf Deutsch »Zahnstein sosse« hieß, wie immer sie hergestellt worden sein mag. Herr B. aus Aying weilte zu Recherchen im Hotel Prima Sol El Mehdi in Tunesien und entdeckte, dass man dort zu radikaler Ehrlichkeit, den Wein betreffend, gelangt ist, denn es wurde angeboten: »Tunesischer Wein (rot und geschönt)«. Ein Catering-Service aus Haimhausen bot, berichtet Frau F. aus Freising, »Chili con cane« an, Hundechili. Man hätte das eher in Asien erwartet. Herr H. fotografierte in Lissabon eine Speisekarte, auf der »Stange des meers gekocht/geröstet« ebenso angeboten wurde wie »Schweinefleisch an der Portugiesin« und »Schweinefleisch an den Papas« (→ Schweinekäse ) .
    Asiatische Küche . Herr H. aus Wiesbaden kann per Foto beweisen, dass in der Mensa der Universität in Mainz im Frühjahr »Gerüchte aus dem Wok« angeboten wurden.
    Französische Küche . Die gewagtesten Trends kommen aus Frankreich, wo Herr R. aus Mammendorf einmal seinen Sommerurlaub verbrachte, in der Nähe von Carnac in der Bretagne. Hier scheint ein unentdecktes Genie am Werk, denn es wird angeboten, was in der Weltküche bisher unbekannt war: »Radhemmungen«. Niemand hat es bisher gewagt, »Radhemmungen« zu essen oder zu kochen, in Carnac aber werden sie auf souveränste Weise serviert und kombiniert, sowohl als Beilage eines Salattellers als auch zusammen mit »Ziegenkäse an den drei Parfüms«. Dazu dieser wohl zwischen Maschinenöl und Bremsbelag oszillierende Radhemmungsgeschmack, irgendwie dem Ich-schneide-ein-Gewinde-Gericht in Tirano verwandt – wuff! Wie schnell solche Trends in Frankreich voranschreiten, mag die wenig später eingetroffene Post von Frau L. aus Bochum belegen, die in der Camargue »Topf Formen bildet fraiche radhemmungen« auf dem Speiseplan sah, aber auch »Topf Formen des sünders fischsuppe, ausfugmasse von tomate, weibhan«, als wahre Sensation aber: »Kartoffeln am alten, grünem Salat Soße«. Eines der Hauptgerichte in Carnac übrigens: »Das Ding des Chefs«. Leider war Herr R. nicht bereit zur Bestellung. Aber man hat ja öfter Ferien. Carnac samt Umgebung sollte auf der persönlichen Reisespeisekarte jedes Gourmets von Anspruch verzeichnet sein.
    Zum Ende unseres kleinen Ausflugs in die Weltküche fällt mir ein Gespräch mit Frau M. aus Mainz ein, die sich ihrerseits an eine Klassenreise nach Paris erinnerte, bei der die Schüler in einer Pariser Jugendherberge übernachteten. An deren Eingangstür stand auf Deutsch: »Bitte aufstoßen!« Man könne sich ja vorstellen, sagte Frau M., was da geschehen sei, wenn eine ganze deutsche Schulklasse diese Tür passierte. Ja, das kann man, das kann man…
AUTORENERWACHEN
    Über die Frage, wann Schriftsteller eigentlich aufstehen, weiß man wenig. Fontanes Tagebücher beginnen Tag für Tag mit dem Wort »Gearbeitet«, nichts übers Vorhergehende. Bei Kafka: nichts. Bei Frisch: auch nix. Nur Thomas Mann, natürlich, notierte Morgen für Morgen: »Gegen 8 Uhr auf. Heiterer Himmel.« Oder: »8 Uhr auf. Nebel.« Oder, am 3. April 1950: »Stand versehentlich um 7 statt um 8 auf. Unbehaglich.«
    Dabei interessiert die Frage, wann Schriftsteller sich morgens erheben, den Bürger brennend. Denn der Nichtschriftsteller fantasiert sich den Schriftsteller gern als Bohemien und ist überrascht (und enttäuscht) zu erfahren, dass Künstler Kinder haben, die sie wecken, oder einen Wecker, der … Egal. Worum

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