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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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Besserwisserei und den anderswo beliebten Falsch-Richtig-Kategorien äußert. Sprachkritik sollte ja, finde ich, nicht darin bestehen, sich über die lustig zu machen, die es nicht besser können . Sondern sie hat sich, wenn schon, jene vorzunehmen, die es nicht besser wollen , die also Sprache als Imponierinstrument oder zur Verschleierung ihrer wahren Absichten benutzen. Oder die einfach zu faul sind, das Richtige zu sagen.
    Und, um auch dies gleich mal zu sagen: Ich halte nicht viel von denen, die das Deutsche »pflegen« wollen, als sei es ein Patient. Oder die nach aussterbenden Wörtern suchen, als sei die Sprache ein bedrohtes Ökosystem und der Verlust des Wortes »Backfisch« dem Aussterben des Kabeljaus gleichzusetzen. In Wahrheit stehen bei uns, wenn ein Wort ausstirbt, doch gleich zwei neue an der nächsten Straßenecke, und noch im letzten Ich-mach-dich-Messer-Dialog zweier Neuköllner Türkenjungs steckt mehr von der Kraft des Deutschen als in den Teilnehmern betulicher Sprachhütertagungen.
    Wir vom Wortstoffhof versuchen Tag für Tag, in neue Sprachdimensionen vorzudringen. Und fragen uns, wie sehr eine Sprache vielleicht gerade durch das Falsche bereichert wird.
    Dazu ein Beispiel. In Christian Eichlers sehr schönem Lexikon der Fußball-Mythen lese ich über die legendäre Abrechnung des Trainers Trapattoni mit den Fußballern seiner Mannschaft: »Nach einem Solo von 3 : 10 Minuten im Presse-Kabuff des FC Bayern, abgeschlossen mit dem legendären ›Ich habe fertig‹, war die deutsche Sprache nicht mehr dieselbe. Ausgerechnet ein aufgeregter Italiener zeigte, wieviel Kraft diese Sprache hat, wenn man auf ihre Korrektheit pfeift: ›Trapattoni‹, schrieb die Londoner Times , ›erfand eine ganze neue Art von Deutsch.‹«
    Bitte sehr, hier ist jener Trapattoni: »Wir mussen nicht vergessen Zickler. Zickler ist eine Spitzen mehr Mehmet e mehr Basler. Ist klar diese Wörter, ist möglich verstehen, was hab ich gesagt? Danke.«
    Wobei ich daraus jetzt keine große Theorie machen will, so etwas liegt mir nicht. Alles, worum es mir geht, ist in zwei Sätzen gesagt: Zwischen all den hoch ernsten Debatten überden Niedergang des Deutschen, über Rechtschreibreform, über Sprachverarmung, -fall und -lust, über schönste Wörter und Unworte des Jahres sollte man sich ab und zu etwas Spaß mit der eigenen Sprache gönnen. Bisschen mit ihr spielen.
    Jedenfalls habe ich in meinem Berufsleben selten so viel Vergnügen wie in jenen Stunden, in denen ich auf dem Wortstoffhof arbeite und Eingeliefertes wie selbst Gefundenes auf seine Wiederverwendbarkeit oder (das gibt es ja nun auch) endgültige Unbrauchbarkeit prüfe. In denen ich Briefe öffne wie den von Herrn M. aus Egling, der schreibt, er sei gerade aus einem stundenlangen, ermüdenden »Meeting mit endlosem Palaver« gekommen und habe sich in der Küche erst einmal einen Kaffee holen wollen – da lese er auf dem Display der Kaffeemaschine: »Satzbehälter leeren!« Genauso wie die Kaffeemaschine habe er sich gefühlt, schreibt M., überfüllt mit Sätzen. Wohin damit? Auf den Wortstoffhof? Oder doch lieber in den Restmüll?
    Ich würde sagen, in diesem Fall und was das Palaver betrifft: Restmüll. Aber den Ruf »Satzbehälter leeren!« kann ich natürlich sehr schön für den Wortstoffhof gebrauchen, denn auch hier müssen die Satzbehälter ständig geleert werden, damit sie frei sind für Neues.
    Also, bitte: Besuchen Sie mich. Es ist durchgehend geöffnet.

A
ABSÄTZE
    Eine der schönsten Einlieferungen in den Wortstoffhof überhaupt erreichte mich aus Karlsruhe, von Frau S. nämlich, die sich an einen Schuster erinnerte, in dessen Schaufenster sie ein Schild mit folgender Aufschrift sah:
    »Auf Absätze kann gewartet werden.«
    So etwas landet gar nicht erst auf dem Wortstoffhof, es wird direkt über meinem Schreibtisch befestigt, an dem ich bedrängt werde von Redakteuren, Verlegerinnen und Buchherstellern, die Texte wollen, Texte, Texte, Texte … Ich kann nun auf dieses Schild verweisen und auf die Wartebank neben meinem Arbeitsplatz. Ein Absatz dauert ja nicht lange, darauf können die Leute warten, aber ganze Manuskripte müssen weiterhin nach einigen Tagen, Monaten, Jahren abgeholt werden. Ich gebe dazu diese kleinen Nummernzettel aus, Sie kennen das vom Schuster oder aus der Wäscherei.
ÄH
    Ich musste mein Büro aufräumen. Ich sortierte Wörter. Wenn man als Autor nicht täglich Wörter aufräumt, findet man sie nicht, wenn man sie braucht.

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