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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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    DURA WURDE AUS DEM Schlaf gerissen.
    Etwas stimmte nicht. Der Geruch der Photonen hatte sich verändert.
    Sie sah fast nicht die Hand vor Augen, und sie krümmte die Finger. Plasma richtete sich in spiralförmigen Wirbeln an den Linien des Magfelds aus und spielte purpurfarben um die Fingerspitzen. Die Luft war warm und stickig, und alles, was sie sah, waren verschwommene Konturen.
    Für einen Moment hing sie hier, zu einer Kugel zusammengerollt, im Griff des elastischen Magfelds.
    In der Ferne hörte sie panische Stimmen. Sie kamen aus der Richtung des Netzes.
    Dura schloß die Augen, legte die Arme um die Knie und versuchte, sich wieder in den Schlaf des Vergessens zu flüchten. Nie wieder. Beim Blut der Xeelee, fluchte sie lautlos, nicht noch einen Störfall; nicht noch einen Spin-Sturm. Sie wußte nicht, ob der kleine Stamm Menschlicher Wesen einen weiteren Sturm überleben würde… oder ob sie die Kraft besaß, eine erneute Katastrophe zu überstehen.
    Nun lief ein Zittern durch das Magfeld, von dem sie umhüllt war. Sie spürte ein angenehmes Kribbeln auf der Haut, und sie paßte sich dem Rhythmus des Feldes an, wie ein Kind, das in den Armen seiner Mutter gewiegt wird. Dann – was weniger angenehm war – spürte sie einen Stoß gegen den Rücken…
    Nein, das war nicht das Magfeld. Sie streckte sich und dehnte dabei die Feldlinien. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und schüttelte den Kopf, um klare Sicht zu bekommen.
    Die Knüffe, die sie im Rücken spürte, stammten von der Faust ihres Bruders Farr. Sie sah, daß er Latrinendienst gehabt hatte; er hielt noch den Plastikbeutel in der Hand, in dem sich der mit Neutronen angereicherte Kot befunden hatte, den er aus dem Netz entsorgt und in die Luft gekippt hatte. Sein hagerer, noch im Wachstum befindlicher Körper zitterte im instabilen Magfeld. Er schaute zu ihr auf, wobei er sein rundes Gesicht in drollige Sorgenfalten gelegt hatte. Er hatte sein Haustier an einer Flosse gepackt, ein Luft-Schwein – ein fettes Jungtier, das ungefähr die Größe von Duras Faust hatte und das noch zu jung war, um ihm die sechs Flossen zu perforieren. Das Tierchen, das wegen des Störfalls offensichtlich in Panik geraten war, zappelte in Farrs Griff, wobei es einen dünnen Strahl blauer, suprafluider Winde ausstieß.
    So vernarrt, wie Farr in das Tier war, wirkte er sogar noch jünger als die zwölf Jahre, die er eigentlich zählte – Dura war dreimal so alt –, und er umklammerte das Ferkel, als ob er sich damit seine Kindheit bewahren wollte. Der Mantel war zwar groß und bot viel Platz, sagte Dura sich, aber er war kein Ort für Kinder. Farr mußte schnell erwachsen werden.
    Er hatte große Ähnlichkeit mit Logue, ihrem Vater.
    Die noch immer schlaftrunkene Dura spürte plötzlich eine starke Zuneigung und Sorge um den Jungen; sie streichelte seine Wange und strich ihm sanft über die Stirn.
    »Hallo, Farr«, begrüßte sie ihren Bruder lächelnd.
    »Ich wollte dich nicht aufwecken.«
    »Das hast du auch nicht. Der Stern hat mich geweckt, lange bevor du gekommen bist. Wieder ein Störfall?«
    »Der schlimmste bisher, sagt Adda.«
    »Laß Adda doch reden«, sagte Dura und strich ihm übers schlauchartige Haar, das wie immer wirr und struppig vom Kopf abstand. »Wir werden es überleben. Bisher haben wir es noch immer überlebt, stimmt’s? Du gehst jetzt zu deinem Vater zurück und sagst ihm, ich würde gleich kommen.«
    »Geht in Ordnung.« Farr lächelte sie an, stieß sich ab und schwamm unbeholfen durchs Magfeld auf das Netz zu, wobei er noch immer die Flosse des Luft-Schweins umklammerte. Dura sah, wie die schlanke Gestalt im glitzernden, die Welt durchdringenden Feld verschwand.
    Dura richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, streckte sich und dehnte dabei das Magfeld. Dann machte sie mit offenem Mund Lockerungsübungen. Sie spürte, wie die Luft durch die Kehle in Lunge und Herz strömte und von den Kapillaren an die Muskeln abgegeben wurde; sie spürte die Energie in jeder Faser ihres Körpers.
    Sie schaute sich um und roch die Photonen.
    Duras Welt war der Mantel des Sterns, eine gigantische Höhle mit weißgelber Luft, die unten vom Quantenmeer und oben von der Kruste begrenzt wurde.
    Die Kruste war eine dicke Matte, die mit purpurfarbenem Gras und Bäumen bewachsen war, welche aus der Ferne wie Haare wirkten. Wenn sie schielte – indem sie die Brennweite ihrer parabolischen Netzhaut veränderte –, erkannte sie dunkle Punkte, die sich um die

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