Xenozid
daß sie versucht, mit der Descolada zu kommunizieren.«
»Molekularsprache.«
»Na ja, was sie tut, ist gefährlich, und selbst, wenn sie Erfolg haben sollte, wird sie keine Kommunikation herstellen können. Besonders, wenn sie Erfolg hat, denn dann besteht eine gute Chance, daß wir alle tot sein werden.«
»Was hat sie vor?«
»Sie hat in meinen Akten geschnüffelt – was nicht besonders schwer war, da ich es nicht für nötig hielt, sie vor einer anderen Xenobiologin zu sperren. Sie konstruiert die Hemmstoffe, die ich in die Pflanzen einfügen wollte – kein Problem, denn ich habe ihr erklärt, wie man das macht. Aber anstatt sie irgendwo einzuspritzen, gibt sie sie direkt in die Descolada.«
»Was meinst du mit geben?«
»Das sind ihre Nachrichten. Das schickt sie ihnen mit ihren kostbaren kleinen Informationsträgern. Ob diese Träger nun eine Sprache sind oder nicht, läßt sich mit solch einem Un-Experiment nicht klären. Aber ob die Descolada nun ein Bewußtsein hat oder nicht, sie kann sich verdammt gut anpassen – und Ela hilft ihr damit vielleicht, sich einigen meiner besten Strategien für ihre Blockade anzupassen.«
»Verrat.«
»Richtig. Sie füttert den Feind mit unseren militärischen Geheimnissen.«
»Hast du mit ihr darüber gesprochen?«
»Sta brincando. Claro que falei. Ela quase me matou.« Du scherzt – natürlich habe ich mit ihr gesprochen. Sie hätte mich fast umgebracht.
»Hat sie irgendwelche Viren erfolgreich trainiert?«
»Sie macht noch nicht einmal Tests, um das festzustellen. Es ist, als sei sie ans Fenster gestürmt und hätte gebrüllt: ›Sie kommen, um euch zu töten!‹ Das ist keine Wissenschaft, sondern Interspezies-Politik. Nur… wir wissen nicht einmal, ob die andere Seite überhaupt eine Politik hat. Wir wissen nur, daß sie uns mit Quaras Hilfe vielleicht noch schneller töten kann, als wir es uns vorgestellt haben.«
»Nossa Senhora«, murmelte Ender. »Es ist zu gefährlich. Sie kann nicht einfach damit herumspielen.«
»Vielleicht ist es schon zu spät – ich weiß nicht, ob sie schon einen Schaden angerichtet hat oder nicht.«
»Dann müssen wir sie aufhalten.«
»Wie? Ihr die Arme brechen?«
»Ich werde mit ihr sprechen, doch sie ist zu alt – oder zu jung –, um auf die Vernunft zu hören. Ich fürchte, die letzte Entscheidung wird der Bürgermeister und nicht wir treffen müssen.«
Erst als Novinha das Wort ergriff, bemerkte Ender, daß seine Frau das Zimmer betreten hatte. »Mit anderen Worten, Gefängnis«, sagte sie. »Du hast vor, meine Tochter einsperren zu lassen. Wann wolltest du mich informieren?«
»Gefängnis ist mir nicht in den Sinn gekommen«, sagte Ender. »Er wird ihr den Zugang zu…«
»Das ist nicht die Aufgabe des Bürgermeisters«, sagte Novinha, »sondern meine. Ich bin die Chefxenobiologin. Warum bist du nicht zu mir gekommen, Elanora? Warum zu ihm?«
Ela saß schweigend da und musterte ihre Mutter ruhig. So stand sie einen Konflikt mit ihrer Mutter aus – mit passivem Widerstand.
»Quara ist außer Kontrolle, Novinha«, sagte Ender. »Es war schlimm genug, den Vaterbäumen Geheimnisse zu verraten. Sie der Descolada zu verraten, ist verrückt.«
»Tu es psicologista, agora?« Jetzt bist du auch Psychologe?
»Ich habe nicht vor, sie einzusperren.«
»Du hast überhaupt nichts vor«, sagte Novinha. »Nicht mit meinen Kindern.«
»Das stimmt«, sagte Ender. »Ich habe mit Kindern überhaupt nichts vor. Ich habe jedoch die Verantwortung, etwas gegen einen erwachsenen Bürger Lusitanias zu unternehmen, der skrupellos das Überleben eines jeden Menschen auf diesem Planeten gefährdet, vielleicht sogar eines jeden Menschen überall.«
»Und wer hat dir diese edle Verantwortung gegeben, Andrew? Ist Gott auf einen Berg hinaufgestiegen und hat dir die Befugnis, die Menschen zu beherrschen, in eine Steintafel geschlagen?«
»Na schön«, sagte Ender. »Was schlägst du vor?«
»Ich schlage vor, daß du dich aus einer Sache heraushältst, die dich nichts angeht. Und ehrlich gesagt, Andrew, das schließt ziemlich viel ein. Du bist kein Xenobiologe. Du bist kein Physiker. Du bist kein Xenologe. Eigentlich bist du gar nichts, nur ein Störenfried, der sich in die Leben anderer Menschen einmischt.«
Ela holte tief Luft. »Mutter!«
»Das einzige, das dir irgendeine Macht gibt, ist dieses verdammte Juwel in deinem Ohr. Sie flüstert dir Geheimnisse zu, sie spricht des Nachts mit dir, wenn du mit deiner Frau im Bett liegst,
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