Xenozid
–, welchen Entschluß Bürgermeister Kovano gefaßt hätte, hätte er gewußt, daß der Anführer der Ketzer ein Vaterbaum war, der sich den Namen Kriegmacher verdient hatte, und daß Kriegmacher gesagt haben sollte, die einzige Hoffnung für die Pequeninos sei, daß der Heilige Geist – der Descolada-Virus – alles menschliche Leben auf Lusitania vernichtete.
Es hätte keine Rolle gespielt. Gott hatte Quim berufen, jeder Nation und Familie, jedem Stamm und Volk das Evangelium Gottes zu verkünden. Selbst die kriegerischsten, blutdürstigsten, haßerfüllten Völker konnten von der Liebe Gottes erfüllt und in Christen verwandelt werden. Es war in der Geschichte schon oft geschehen. Warum nicht auch jetzt?
O Vater, vollbringe eine mächtige Tat auf dieser Welt. Nie haben deine Kinder Wunder dringender gebraucht als wir jetzt.
Novinha sprach nicht mit Ender, und er bekam es mit der Angst zu tun. Das war keine Launenhaftigkeit – er hatte bei Novinha nie Launen festgestellt. Ender hatte den Eindruck, daß ihr Schweigen ihn nicht bestrafen, sondern sie eher davon abhalten sollte, ihn zu bestrafen; daß sie schwieg, weil sie Worte, die sie sonst sprechen würde, zu grausam wären, als daß man sie ihr jemals verzeihen könnte.
Also versuchte er anfangs nicht, sie zum Sprechen zu bewegen. Er ließ sie wie einen Schatten durch das Haus ziehen, wich jedem Blickkontakt aus, versuchte, sich von ihr fernzuhalten, und ging erst zu Bett, wenn sie schlief.
Offensichtlich benahm sie sich wegen Quims so. Seine Reise zu den Ketzern – er verstand ihre Angst, und obwohl Ender nicht dieselben Befürchtungen teilte, wußte er, daß Quims Mission nicht ungefährlich war. Novinha benahm sich irrational. Wie hätte Ender ihren Sohn aufhalten können? Er war dasjenige von Novinhas Kindern, auf das Ender fast keinen Einfluß hatte; sie waren vor ein paar Jahren zu einem Waffenstillstand gelangt, doch es war ein Friedensvertrag unter Gleichberechtigten gewesen, keineswegs eine Beziehung wie zwischen einem Vater und seinen Kindern, wie sie Ender mit allen anderen aufgebaut hatte. Wenn Novinha nicht imstande gewesen war, Quim zu überreden, diese Mission aufzugeben – was hätte Ender da erreichen können?
Verstandesgemäß wußte Novinha dies wahrscheinlich. Doch wie alle anderen Menschen handelte sie nicht immer ihrem Verständnis entsprechend. Sie hatte zu viele geliebte Menschen verloren; als sie fühlte, wie ihr ein weiterer entglitt, reagierte sie gefühls- und nicht verstandsmäßig. Ender war als Heiler, als Beschützer in ihr Leben getreten. Es war seine Aufgabe, ihr die Angst zu nehmen, und nun hatte sie Angst, und sie war wütend auf ihn, weil er ihr gegenüber versagt hatte.
Doch nach zwei Tagen des Schweigens hatte Ender genug. Es war nicht gerade der ideale Augenblick für eine Barriere zwischen ihm und Novinha. Er wußte – und Novinha auch –, daß Valentines Ankunft eine schwierige Zeit für sie bedeutete. Er hatte so viele Kommunikationsmöglichkeiten mit Valentine, so viele Verbindungen, so viele Wege zu ihrer Seele, daß es ihm schwerfiel, nicht wieder zu der Person zu werden, die er während der Jahre – der Jahrtausende – gewesen war, die sie gemeinsam verbracht hatten. Sie hatten dreitausend Jahre der Geschichte erlebt, als hätten sie sie durch dieselben Augen gesehen. Mit Novinha war er nur dreißig Jahre zusammen. Das war eigentlich nach subjektiver Zeit länger, als er mit Valentine verbracht hatte, doch es war so leicht, in seine alte Rolle als Valentines Bruder zurückzufallen, als Sprecher für ihren Demosthenes.
Ender hatte damit gerechnet, daß Novinha auf Valentine eifersüchtig war, und war darauf vorbereitet. Er hatte Valentine gewarnt, daß sie wahrscheinlich, vor allem am Anfang, nur selten ungestört sein würden. Und sie hatte es verstanden, auch Jakt hatte so seine Probleme, und beide Partner brauchten Bestätigung. Es war fast lächerlich, daß Jakt und Novinha auf die Verbindung zwischen Bruder und Schwester eifersüchtig waren. Es hatte niemals den leisesten Hinweis auf Sexualität in Enders und Valentines Beziehung gegeben – jeder, der sie kannte, hätte über eine solche Vermutung gelacht –, doch Novinha und Jakt befürchteten auch keine sexuelle Untreue. Es war auch nicht ihre gefühlsmäßige Verbindung – Novinha bezweifelte Enders Liebe und Hingabe für sie nicht, und Jakt hätte nicht mehr verlangen können, als Valentine ihm bot, sowohl was die Leidenschaft als
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