Xenozid
Descolada-Virus gekommen zu sein, und doch konnte sie den Ruhm nicht akzeptieren, weil sie es nicht gewollt hatte; sie hatte gedacht, sie würde lediglich Qing-jaos Fragen wiederholen. Konnte sie den Ruhm für etwas akzeptieren, das sie völlig zufällig getan hatte?
Man sollte die Menschen nur für etwas verdammen oder loben, was sie wirklich gewollt hatten. Wang-mu hatte instinktiv immer daran geglaubt; sie erinnerte sich nicht daran, daß es ihr jemand mit so vielen Worten gesagt hatte. Die Verbrechen, die sie dem Kongreß vorwarf, waren alle absichtlich durchgeführt worden – die genetische Veränderung der Menschen von Weg, um die Gottberührten zu schaffen, und die Aussendung des M.D.-Geräts, um die Heimat der einzig anderen vernunftbegabten Rasse zu vernichten, die ihres Wissens im Universum existierte.
Doch wollten sie das auch? Viele von ihnen glaubten zumindest, sie würden das Universum für die Menschheit sicherer machen, indem sie Lusitania zerstörten – nach allem, was Wang-mu über die Descolada gehört hatte, konnte es das Ende allen erdgeborenen Lebens bedeuten, wenn sie sich von einer von Menschen besiedelten Welt zur nächsten ausbreitete. Vielleicht hatten auch einige Mitglieder des Kongresses die Gottberührten von Weg geschaffen, damit die gesamte Menschheit einen Nutzen davon hatte, doch ihnen dann das UZV in die Gehirne gepflanzt, damit sie nicht außer Kontrolle geraten und alle unterlegenen, »normalen« Menschen versklaven konnten. Vielleicht hatten sie bei den schrecklichen Dingen, die sie getan hatten, eine gute Absicht im Sinn gehabt.
Und Qing-jao hatte auch eine gute Absicht im Sinn, nicht wahr? Wie konnte Wang-mu sie also wegen ihrer Taten verdammen, wenn sie glaubte, sie würde den Göttern gehorchen?
Hatte nicht jeder bei all seinen Taten eine edle Absicht im Sinn? War nicht jeder seiner Meinung zufolge gut?
Bis auf mich, dachte Wang-mu. In meinen Augen bin ich töricht und schwach. Aber sie haben von mir gesprochen, als sei ich besser, als ich je annahm. Auch Meister Han hat mich gelobt. Und diese anderen haben mit Mitleid und Verachtung von Qing-jao gesprochen – und auch ich bringe ihr diese Gefühle entgegen. Doch verhält sich Qing-jao nicht edel, und verhalte ich mich nicht unwürdig? Ich habe meine Herrin verraten. Sie ist ihrer Regierung und ihren Göttern gegenüber, die für sie echt sind, obwohl ich nicht mehr an sie glaube, treu ergeben. Wie kann ich die guten Menschen von den schlechten unterscheiden, wenn die Schlechten irgendwie alle überzeugt sind, daß sie versuchen, Gutes zu tun, obwohl sie in Wirklichkeit etwas Schreckliches tun? Und die guten Menschen glauben, sehr schlecht zu sein, obwohl sie in Wirklichkeit Gutes tun?
Vielleicht kann man nur Gutes tun, wenn man sich für schlecht hält, und wenn man sich für gut hält, kann man nur Schlechtes tun.
Doch dieses Paradoxon war zu viel für sie. Die Welt war sinnlos, wenn man Menschen am Gegenteil von dem abschätzen mußte, was sie zu sein versuchten. War es einem guten Menschen denn nicht möglich, auch zu versuchen, einen guten Eindruck zu machen? Und nur, daß jemand behauptete, Abschaum zu sein, bedeutete noch lange nicht, daß er auch Abschaum war. Gab es denn keine Möglichkeit, die Menschen abzuschätzen, wenn man sie nicht einmal nach ihren Zielen abschätzen konnte?
Gab es keine Möglichkeit für Wang-mu, sich selbst abzuschätzen?
Die halbe Zeit über weiß ich nicht einmal, welchen Zweck das hat, was ich tue. Ich kam in dieses Haus, weil ich ehrgeizig war und die geheime Magd eines reichen, gottberührten Mädchens sein wollte. Es war reiner Egoismus meinerseits und reine Großzügigkeit von Qing-jao, daß sie mich aufgenommen hat. Und nun helfe ich Meister Han, Verrat zu begehen – was für einen Sinn hat meine Mitwirkung dabei? Ich weiß nicht einmal, warum ich tue, was ich tue. Wie kann ich wissen, was andere Menschen in Wirklichkeit beabsichtigen? Es gibt keine Hoffnung, jemals das Böse vom Guten unterscheiden zu können.
Sie setzte sich in der Lotusposition auf ihrer Matte auf und drückte die Hände vors Gesicht. Es war, als drücke sie ihr Gesicht gegen eine Wand, doch es war eine Wand, die sie selbst geschaffen hatte, und wenn sie nur die Möglichkeit finden konnte, sie zur Seite zu schieben konnte sie vielleicht zur Wahrheit vorstoßen.
Sie nahm die Hände weg und öffnete die Augen. Auf der anderen Seite des Zimmers stand Meister Hans Terminal. Hier hatte sie heute die
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