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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Card Orson Scott
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anpassen und entwickeln.
    Am meisten interessierten sie seine Gedanken. Es war, als habe die Beschränkung seines Körpers seinen Geist befreit. In der ersten Zeit nach dem Unfall war er fast völlig gelähmt gewesen. Er hatte nur daliegen und denken können. Natürlich hatte er viel Zeit damit verbracht, über seine Fehler nachzudenken, über das, was er verloren hatte, über die Zukunft, die er nicht mehr haben konnte. Doch er hatte auch viele Stunden über Themen nachgedacht, über die beschäftigte Menschen fast nie nachdenken. Und an ihrem dritten gemeinsamen Tag versuchte Valentine, ihm diese Gedanken zu entlocken.
    »Die meisten Menschen denken nicht darüber nach, zumindest nicht ernsthaft, und du hast darüber nachgedacht«, sagte Valentine.
    »Daß ich darüber nachdenke, bedeutet noch nicht, daß ich etwas weiß«, sagte Miro. Sie hatte sich mittlerweile völlig an seine Stimme gewöhnt, obwohl seine Worte mitunter so langsam kamen, daß es sie schier in den Wahnsinn trieb. Es bedurfte manchmal einer wirklichen Willensanstrengung, keine Spur von Unaufmerksamkeit zu zeigen.
    »Die Natur des Universums«, sagte Jakt.
    »Die Quelle des Lebens«, sagte Valentine. »Du sagst, du hättest darüber nachgedacht, was es heißt, am Leben zu sein, und ich will wissen, was du gedacht hast.«
    »Wie das Universum arbeitet und warum wir alle darin sind.« Miro lachte. »Das ist eine ziemlich verrückte Sache.«
    »Ich saß einmal allein in einem Fischerboot zwei Wochen in einem Treibeisfeld gefangen«, sagte Jakt. »Ich bezweifle, daß du etwas vorbringen kannst, was mir verrückt vorkommt.«
    Valentine lächelte. Jakt war kein Wissenschaftler, und seine Philosophie beschränkte sich im allgemeinen darauf, seine Mannschaft zusammenzuhalten und eine Menge Fische zu fangen. Doch er wußte, daß Valentine Miro aus der Reserve locken wollte, und so half er dabei, daß Miro sich entspannt fühlte, ließ ihn wissen, daß er ernst genommen wurde.
    Und es war wichtig, daß Jakt dies tat – denn Valentine hatte bemerkt, daß Miro ihn beobachtete. Jakt mochte alt sein, doch er hatte noch Arme, Beine und Rücken eines Fischers, und jede Bewegung verriet die Geschmeidigkeit seines Körpers. Miro sprach ihn einmal sogar darauf an, verblümt und bewundernd: »Du bist gebaut wie ein Zwanzigjähriger.« Valentine hatte den ironischen Zusatz gehört, den Miro im Sinn gehabt haben mußte: Während ich, der ich jung bin, den Körper eines arthritischen Neunzigjährigen habe. Also bedeutete Jakt Miro etwas – er stand für die Zukunft, die Miro nie haben konnte. Bewunderung und Groll; es wäre Miro schwergefallen, offen vor Jakt zu sprechen, würde Jakt nicht sorgsam darauf achten, sich Miro gegenüber nur respektvoll und interessiert zu erweisen.
    Plikt saß natürlich auf ihrem Platz, stumm, zurückgezogen, praktisch unsichtbar.
    »Na schön«, sagte Miro. »Spekulationen über die Natur der Wirklichkeit und der Seele.«
    »Theologie oder Metaphysik?« fragte Valentine.
    »Metaphysik hauptsächlich«, sagte Miro. »Und Physik. Keins davon ist mein Spezialgebiet. Und das ist nicht die Art von Geschichte, für die du mich angeblich brauchst.«
    »Ich weiß nicht immer genau, was ich brauchen werde.«
    »Na schön«, sagte Miro. Er atmete ein paar Mal tief ein, als überlege er, wo er anfangen wolle. »Ihr kennt euch mit philotischen Verknüpfungen aus.«
    »Ich weiß, was jeder darüber weiß«, sagte Valentine. »Und ich weiß, daß sie in den letzten zweieinhalbtausend Jahren nirgendwo hingeführt haben, da man wirklich nicht mit ihnen experimentieren kann.« Es war eine alte Entdeckung aus den Tagen, als die Wissenschaftler versuchten, mit der Technologie Schritt zu halten. Physikstudenten im Teenageralter lernten ein paar kluge Sprüche auswendig: »Philoten sind die fundamentalen Bausteine aller Materie und Energie. Philoten haben weder Masse noch Trägheit. Philoten haben nur Ort, Lebensdauer und Verbindung.« Und jeder wußte, daß es philotische Verbindungen waren – die Verknüpfung philotischer Strahlen –, die die Verkürzer arbeiten ließen und augenblickliche Kommunikation zwischen Welten und viele Lichtjahre entfernten Sternenschiffen ermöglichten. Doch niemand wußte, warum es funktionierte, und weil man mit Philoten nicht »umgehen« konnte, war es fast unmöglich, mit ihnen zu experimentieren. Man konnte sie nur beobachten, und das auch nur durch ihre Verbindungen.
    »Philotik«, sagte Jakt. »Verkürzer?«
    »Ein

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