Xenozid
Programm irgendeinen Hinweis gegeben? Hatte er die Erwiderung subvokalisiert? Valentine wußte es nicht – sie hatte auf den Bildschirm geachtet. Doch damit würde sie jetzt aufhören – sie würde Miro selbst beobachten.
»Wir wissen nicht, ob der Strang unendlich ist«, sagte Valentine. »Wir wissen nur, daß wir noch kein Ende des Strangs gefunden haben.«
»Sie verschlingen sich ineinander, sämtliche Philoten eines Planeten, und eine jede planetare Philotenverschlingung greift nach seinem Stern, und jeder Stern nach dem Mittelpunkt der Galaxis…«
»Und wohin gehen die galaktischen Verschlingungen?« sagte Jakt. Es war eine alte Frage – Schulkinder stellten sie, wenn sie auf der Höheren Schule erstmals mit der Philotik vertraut gemacht wurden. Wie die alte Spekulation, daß Galaxien in Wirklichkeit vielleicht Neutronen oder Mesonen in einem viel größeren Universum waren, oder wie die alte Frage: Wenn das Universum nicht unendlich ist, was befindet sich dann hinter seinem Rand?
»Ja, ja«, sagte Miro. Diesmal sprach er jedoch mit seinem eigenen Mund. »Aber darauf will ich nicht hinaus. Ich will über das Leben sprechen.«
Die computerisierte Stimme – die Stimme des brillanten jungen Mannes – übernahm. »Die philotischen Verschlingungen von Substanzen wie Felsen oder Sand verbinden sich direkt mit jedem Molekül bis zum Zentrum des Planeten. Doch wenn ein Molekül in einen lebendigen Organismus integriert wird, verändert sich der Strang. Anstatt in den Planeten hinabzugreifen, verschlingt er sich in der jeweiligen Zelle, und die Stränge von den Zellen sind alle miteinander verschlungen, so daß jeder Organismus eine einzige Faser philotischer Verbindungen ausschickt, die sich mit dem zentralen philotischen Seil des Planeten verschlingt.«
»Was beweist, daß ein individuelles Leben auf der Ebene der Physik eine gewisse Bedeutung hat«, sagte Valentine. Sie hatte einmal einen Essay darüber geschrieben und versucht, einen Teil der Mystik zurückzunehmen, die um die Philotik entstanden war, und sie gleichzeitig als Sichtweise der Bildung einer Gesellschaft heranzuziehen. »Aber es entsteht kein praktischer Nutzen daraus, Miro. Nichts, was man damit anfangen könnte. Die philotische Verschlingung lebender Organismen existiert einfach. Jedes Philot ist mit etwas verbunden und durch das wieder mit etwas anderem – lebende Zellen und Organismen sind einfach zwei der Ebenen, auf denen solche Verbindungen entstehen können.«
»Ja«, sagte Miro. »Was lebt, verschlingt sich.«
Valentine zuckte mit den Achseln. Man konnte es wahrscheinlich nicht beweisen, doch wenn Miro es als Prämisse seiner Spekulationen benutzen wollte, hatte sie nichts dagegen.
Der Computer-Miro übernahm wieder. »Ich habe über die Dauer der Verschlingung nachgedacht. Wenn eine verschlungene Struktur aufgebrochen wird – als bräche ein Molekül auseinander –, bleibt die alte philotische Verschlingung noch für eine Weile bestehen. Fragmente, die physikalisch nicht mehr zusammenhängen, bleiben philotisch noch für eine Weile miteinander verbunden. Und je kleiner das Partikel, desto länger bleibt die Verbindung nach dem Aufbruch der ursprünglichen Struktur bestehen und desto langsamer verlagern sich die Fragmente zu neuen Verschlingungen.«
Jakt runzelte die Stirn. »Ich dachte, je kleiner die Dinge wären, desto schneller geschähe etwas mit ihnen.«
»Es verstößt gegen die allgemeine Auffassung«, sagte Valentine.
»Nach einer Kernspaltung dauert es Stunden, bis sich die Philotenstränge wieder sortiert haben«, sagte der Computer-Miro. »Wenn man ein kleineres Partikel als ein Atom teilt, bleibt die philotische Verbindung zwischen den Fragmenten noch viel länger bestehen.«
»Und so arbeitet der Verkürzer«, sagte Miro.
Valentine musterte ihn genau. Sprach er manchmal mit seiner eigenen Stimme und manchmal durch den Computer? Stand das Programm unter seiner Kontrolle oder nicht?
»Der Verkürzer beruht auf folgendem Prinzip«, sagte der Computer-Miro. »Wenn man ein Meson mit einem starken Magnetfeld umschließt, es spaltet und die beiden Teile beliebig weit voneinander trennt, wird die philotische Verknüpfung sie dennoch verbinden. Und die Verbindung erfolgt augenblicklich. Wenn sich ein Fragment dreht oder vibriert, dreht sich und vibriert auch der Strahl zwischen ihnen, und die Bewegung läßt sich in genau demselben Augenblick am anderen Ende messen. Die Bewegung wird in Nullzeit die gesamte Länge
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