Zärtlichkeit des Lebens
von Ihren Entwürfen und den Gebäuden, an denen Sie mitgearbeitet haben. Tysons Empfehlung stellt einen weiteren Pluspunkt für Sie dar. Er vertritt die Meinung, daß Ihre Arbeiten für Boumell und Söhne Kreativität und Können beweisen.«
»Das hört man gern.« Sarah zog die Brauen kurz zusammen.
»Ich ahnte nicht, daß Mr. Haladay derart umfangreiche Nachforschungen über mögliche künftige Mitarbeiter anstellt.«
»Mr. Haladay interessiert sich für alle seine Angestellten«, versicherte ihr Byron. »Weshalb möchten Sie denn Boumell verlassen und für Haladay arbeiten?«
Sarah hatte eine derartige Frage erwartet, aber nicht damit gerechnet, daß sie so unverblümt gestellt würde, und war angenehm überrascht. »Weil ich bedeutende Gebäude bauen möchte. Diese Chance bietet sich mir bei Boumell nicht, bei Haladay hingegen schon.«
»Sind Sie ehrgeizig oder von Ideen besessen?«
»Beides.« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
Einen Augenblick sah er sie ausdruckslos an. Sarah fragte sich, ob sie nicht vorschnell geantwortet hatte. Vielleicht hätte sie diplomatischer und nicht so ehrlich vorgehen sollen.
»Sie haben bei William Turhane am City College in New York studiert. Auch er hält viel von Ihnen«, sagte Byron.
»Ja?« Sie lächelte. »Als ich bei ihm studierte, war das nicht immer der Fall.›Sie bringen mich noch zur Verzweiflung‹war, glaube ich, sein Lieblingsausdruck. Ein treffender allerdings, da bin ich mir sicher.« Sarah hielt kurz inne, dann entschloß sie sich, den Sprung zu wagen. »Vielleicht könnten Sie mir etwas erklären. Als es sich herumsprach, daß Haladay Enterprises einen neuen Architekten sucht, müssen Sie doch in Bewerbungen geradezu ertrunken sein. Bestimmt verfügten Dutzende von Bewerbern über mehr Erfahrung als ich. Warum bin ich so weit gekommen?«
Byron zögerte einen Moment. Er nahm ein goldenes Zigarettenetui aus seiner Jackentasche und hielt es Sarah hin.
Mit einem Kopf schütteln lehnte sie ab. Innerhalb von Sekunden beurteilte er sie neu. Ihre Schönheit hatte ihn einen Augenblick lang verblüfft, ebenso das kurze Sichtbarwerden ihrer Verletzlichkeit beim Betreten seines Büros. Man hatte ihm berichtet, daß Sarah Lancaster alleinstehend war und dem linken Flügel der Demokraten zugeneigt, sich allerdings mehr an Kunst und alten Filmen als an Politik interessiert zeigte. Man hielt sie für herausragend begabt und ein wenig exzentrisch. Nun stellte er selber fest, daß sie auch ehrlich und offen war. Obwohl er ihre Nervosität spürte, gefiel es ihm, daß sie sich ohne sichtbare Anstrengung beherrschen konnte. Er lehnte sich zurück und verschränkte die langen Finger.
»Sie gehörten zu den besten fünf Prozent in Ihrem Jahrgang am City College. Ihre Arbeiten für Boumell zeigen Potential und Einfallsreichtum. Besonders beeindruckt hat uns Ihr Entwurf der Unitarierkirche in Buffalo.«
Sarah hörte mit gehobenen Brauen zu. Sie fühlte sich nicht geschmeichelt, denn er sprach so unpersönlich wie ein Automat, war aber ganz bei der Sache. Die Unitarierkirche hatte sie ganz alleine entworfen.
»Sie wurden als ein wenig unkonventionell geschildert.« Er hielt inne und beobachtete, wie ein überraschter Ausdruck über ihr Gesicht huschte. Einen Augenblick verlor sie ihren üblichen Schutzwall, und Byron erhaschte ein kurzes Aufflackern von Unsicherheit. »Tatsächlich«, fuhr er fort, da er diesen Punkt weiter verfolgen wollte, um zu sehen, wie sie darauf reagierte, »hat man Sie als ›überkandidelt‹ bezeichnet.«
Einen Herzschlag lang sagte Sarah nichts. Ihre Gedanken jagten sich. Wer hatte sich so geäußert? Sie konnte aus Byrons Stimme absolut nicht entnehmen, ob Überkandideltsein einen Nachteil oder einen Pluspunkt für sie darstellte. Sollte sie das leugnen? Sollte sie beiläufig zustimmen? Sie wußte, daß man sich eine Stelle wie diese leicht mit einer einzigen falschen Antwort verscherzen konnte.
»›Überkandidelt‹klingt so altjüngferlich«, gab sie in der Hoffnung zurück, unbekümmert zu klingen. »Unkonventionell mag stimmen, je nachdem, was man darunter versteht. Ich habe gehört, daß Maxwell Haladay selbst ein unkonventioneller Mensch sein soll.«
Noch immer gaben Byrons Augen nichts von seinen Gedanken preis. Der ist ganz schön kaltblütig, schloß sie. Ist eine Stelle denn all das wert? fragte sie sich, während sie seinem Blick standhielt, ohne mit der Wimper zu zucken. Himmel ja.
Diese Stelle schon. Sie zwang
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