Zarter Mond - Hawthorne, R: Zarter Mond - Dark Guardian - 03 Dark of the Moon
symbolisch wirkte. Gut und Böse. Nicht einmal Connor wusste alles, was ich Mason erzählt hatte, alles, was geschehen war, als man mich von ihm fortgeschleppt hatte. Aber wie auch immer die Strafe aussehen mochte, die man mir für meine Vergehen auferlegen würde, ich war bereit, sie auf mich zu nehmen. Ich wusste, ich
hätte wieder so gehandelt – besonders was die Abkommen mit Mason anging. Um Connor zu retten, hätte ich mein Leben gegeben.
Ich fuhr mit Moms Wagen nach Wolford. Am Nachmittag wollten wir ein Auto kaufen – unabhängig vom Ausgang des Tribunals. Da Mom nun die Bestätigung hatte, dass ich niemals auf allen vieren unterwegs sein würde, hatte sie beschlossen, mir einen fahrbaren Untersatz zu besorgen, damit ich mobil war. Ich hatte nichts dagegen.
Nun wartete ich darauf, ins Ratszimmer gerufen zu werden. Rastlos ging ich auf und ab und versuchte, nicht an das zu denken, was hinter der Tür passieren würde. Ich hatte eine kleine Rede vorbereitet, aber ich fürchtete, ich könnte hyperventilieren, bevor ich sie halten konnte. Es wäre so viel einfacher, wenn sie mich einfach um mein Recht, ein Dunkler Wächter zu bleiben, kämpfen ließen.
Die Tür sprang auf, und ich hätte schwören können, dass es wie eine Gewehrsalve klang.
Lucas trat mit versteinerter Miene heraus, und mir war klar, dass die Sache für die anderen Wächter genauso schwer war wie für mich. Warum hatte ich mich nach dem Vollmond nur nicht gleich den Tatsachen gestellt? Warum hatte ich alles darangesetzt, die Wahrheit zu verbergen? Geheimnisse kamen immer irgendwann ans Tageslicht.
»Wir sind bereit«, sagte er ernst.
Mit kurzem Nicken folgte ich ihm und stellte mich an die mir zugedachte Stelle. Vor mir saßen die drei Ältesten an einem mit schwarzem Tuch bedeckten Tisch. Wie Richter trugen sie schwarze Roben. Vor dem Ältesten Wilde lag ein Buch, das ich wiedererkannte – der Band, in dem sich
der uralte Text befand. Das Ganze wirkte sehr formell. In früheren Zeiten hatte man die für schuldig Befundenen in eine Grube mit richtigen Wölfen geworfen. Ich hoffte sehr, dass sie auf dieses alte Ritual verzichten würden.
Hinter ihnen befand sich ein großer Flachbildschirm, der nichts Gutes zu verheißen schien.
Auf beiden Seiten des Tisches standen zwei weitere schwarz verhüllte Tische in Hufeisenform. Sechs Wächter saßen an dem einen, fünf an dem anderen. Mein Magen krampfte sich zusammen beim Anblick des leeren Stuhls neben Connor. Noch nie zuvor hatte ich mir so sehr gewünscht, an seiner Seite zu sitzen. Seit Langem sah sein Haar heute aus, als hätte er es gekämmt, statt es nur mit den Fingern nach hinten zu streichen, und er hatte sich rasiert. Wie die anderen Wächter war auch er ganz in Schwarz gekleidet. Die Sachen standen ihm gut, aber ich vermisste sein übliches lässiges, leicht ruppiges Auftreten, das typisch für ihn war. Mir wurde ein wenig flau bei der Vorstellung, wie er in einigen Jahren als gepflegter, distinguierter Anwalt in einen Gerichtssaal marschieren würde.
Ältester Wilde ließ seinen Hammer auf eine Holzplatte niedersausen, und ich schrak zusammen. So nervös war ich nicht einmal gewesen, als ich von Mason bedroht wurde. Aber da hatte auch nur mein Leben auf dem Spiel gestanden. In diesem Augenblick dagegen wusste ich, dass ich alles verlieren konnte, was mir lieb und teuer war. Alles, was mein Leben lebenswert machte.
»Das Tribunal ist eröffnet«, sagte er mit tiefer, sonorer Stimme, die von den Wänden widerhallte, und ich stellte mir vor, dass ihr Echo noch von nachfolgenden Generationen
zu hören sein würde. »Wächterin Reed, du wurdest vor dieses Tribunal gerufen aufgrund von Handlungen und Verfehlungen, die uns an deinen Fähigkeiten zweifeln lassen, als Dunkler Wächter und Beschützer unserer Art zu dienen. Tritt bitte vor.«
Ich tat wie befohlen … Drei lange Schritte, die mir unsagbar schwerfielen.
Er schob das in Leder gebundene, vergoldete Buch in meine Richtung. »Schwörst du auf die uralte Schrift, alle Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?«
Ich legte die Hand auf das Buch. Ich hatte es in der Vergangenheit schon berührt, hatte es jedoch nie so Ehrfurcht gebietend gefunden. »Ich schwöre.«
Wieder folgte ich seinen Anordnungen. Jetzt war nicht der richtige Augenblick für aufmüpfiges Verhalten, obwohl mir das Prozedere ein wenig zu dramatisch erschien. Ich fand, man hätte die Angelegenheit zügiger abwickeln können.
Bist du ein
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