Zaster und Desaster
umsonst hinten und vorne reinschieben, mal an einem fiktiven Beispiel erklären. Nehmen wir einmal an, ich bin eine deutsche Bank. Also leihe ich mir von der Europäischen Zentralbank ein paar Millionen oder auch ein paar hundert Millionen für ein Prozent Zinsen. So weit können Sie mir sicher folgen, Herr Wäckerli, prima. Also, und jetzt lege ich das Geld in deutschen Staatspapieren an, dafür gibt es vier Prozent Zinsen. Wenn ich es nicht lassen kann, haue ich noch ein paar Millionen in Spekulationen auf fallende Aktienkurse rein, da kann ja im Moment auch nicht viel schiefgehen. Diese Transaktionen führe ich schneller aus, als ich es Ihnen gerade erklären kann. Sie folgen mir immer noch? Ausgezeichnet. Also, und nach dieser anstrengenden finanztechnischen Höchstleistung lege ich die Füße auf den Tisch und rechne mir mal schnell den Bonus aus, den ich bei diesem Umsatz aufs eigene Konto schaufeln darf, denn umsonst arbeiten wir Banker ja wirklich nicht. Und wenn der deutsche Staat nicht pleite geht, was wir ja alle nicht hoffen wollen, dann habe ich mit drei Klicks auf meiner Tastatur sagen wir mal 500 Mio Euro Kredit zu einem Prozent aufgenommen und davon 400 in Staatsanleihen investiert und 100 Mio in ein paar Put-Optionen. Gerne, natürlich erkläre ich Ihnen das auch noch. Das bedeutet, dass ich zum Beispiel in einer Woche Aktien der Firma Sinkflug liefere, zum heutigen Tageskurs, wohlgemerkt. Ich gehe aber davon aus, dass diese Papiere in einer Woche ein paar Prozent an Wert verloren haben. Und da ich sie erst in einer Woche liefern und dafür kaufen muss, streiche ich die Differenz auch als Gewinn ein. Das alles erledigt übrigens ein banales Programm für mich, sonst müsste ich ja zwischenzeitlich mal die Füße vom Tisch nehmen. Sie können mir immer noch folgen? Großartig, denn die meisten Deppen, die aus den Bankkaderschmieden entlassen werden, hätten jetzt schon rauchende Köpfe. Also, Herr Wäckerli, nach diesem kleinen Ausflug in die Hightech-Finanzwelt des 11. Jahrhunderts kommen wir zu Ihrem kleinen Anliegen, dass angesichts der dreißigjährigen Existenz Ihrer Firma es doch nicht zu viel verlangt sein könnte, im Licht der aktuellen Wirtschaftslage Ihren Überziehungskredit um lumpige 3 Millionen zu erhöhen. Das sehen Sie aber leider völlig falsch, lieber Herr Wäckerli, denn das ist mit Papierkrieg, Analyse Ihres Cashflows, Ihrer Bilanz und vielen weiteren Unannehmlichkeiten verbunden. Und außerdem, das kommt noch erschwerend hinzu, müsste ja ein Kreditsachbearbeiter nach Rücksprache mit seinem Linienvorgesetzten eine Entscheidung treffen, die mit einem gewissen Restrisiko verbunden ist. Denn ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Es könnte ja sein, dass die Firma Wäckerli nach dreißig Jahren doch plötzlich hops geht. Und dann ist unser schönes Geld futsch, der Kreditsachbearbeiter kriegt einen Anschiss von seinem Linienvorgesetzten, und seinen Bonus kann er sich für dieses Jahr auch abschminken. Außerdem, Herr Wäckerli, nach den etwas durchwachsenen Erfahrungen im Umgang mit Marktrisiken in letzter Zeit, das müssen Sie verstehen, scheuen wir Banker im Moment etwas das Risiko. Also, wenn ich zusammenfassen darf: Hier viel Arbeit und unkalkulierbares Risiko, dort fast keine Arbeit und fast kein Risiko, wie würden Sie denn da entscheiden? Wie bitte? Treuer Kunde, Leistungsausweis über Jahre hinweg, noch nie Zahlungstermine nicht eingehalten, gesamtwirtschaftliche Verantwortung von Finanzinstituten? Ja Herr Wäckerli, in welcher Welt leben Sie denn? Bevor ich Ihnen einen schönen Tag und viel Glück bei der Suche nach einem Kredit wünsche, Herr Wäckerli: Was ich Ihnen eben erklärt habe, ist eigentlich viel mehr wert als Ihr Überziehungskredit, und dennoch gibt es das gratis, eine Dienstleistung Ihres freundlichen Private Bankers.«
Nachdem Äbersold den Hörer aufgelegt hatte, dachte er: Also wenn das nicht reicht, damit man mich hier endlich rausschmeißt, dann weiß ich auch nicht. Da hatte er richtig spekuliert. Eine halbe Stunde später räumte er seine Golftasche und sein Tennisrack aus dem Schrank, leistete sich den Spaß, den Kreditunion-Brieföffner in seinen Computerbildschirm zu rammen, schraubte die Harddisk raus und spazierte an seinem verbliebenen Assistenten vorbei.
»Mein Stuhl gehört Ihnen, mein Sohn«, sagte Äbersold freundlich, »ich bin soeben vom Karussell gesprungen und genieße ab jetzt mein Leben. Außer natürlich, die Bangster der Kreditunion
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