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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Schreibtisch, »den Vertrag über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen, per sofort und ohne Lohnfortzahlung. Wenn Sie jetzt gleich unterschreiben, würden wir von weiteren Schritten absehen.«
    »Rausschmiss, per sofort, weitere Schritte? Aber wieso denn das?«, japste Benz, der zu sehen meinte, wie sich unter seinen rahmengenähten Schuhen ein Abgrund auftat, in den er gleich ungesichert reinstürzen würde.
    »Nun, wenn Sie mich zwingen, da deutlicher zu werden: Wir haben hier im Hause ein Null-Toleranz-Politik gegenüber Sexual Harassment, und Frau Muggli hat nicht nur Ihr Versagen in den Kundengesprächen, sondern auch Ihre verbalen Übergriffe auf sie selbst dokumentiert. Sie haben zehn Minuten Zeit, allfällige persönliche Habseligkeiten aus Ihrem Schreibtisch zu räumen, dann geben Sie Ihren Badge unten beim Empfang ab.« Bürgisser stand auf, um das Ende der Unterredung zu signalisieren.
    Diese verdammte Schlampe, dachte Benz erbittert, heizt mich auf bis zum Gehtnichtmehr, ist schärfer als Nachbars Lumpi, und dann will sie mich abservieren lassen. Aber nicht mit mir! Auch Benz stand auf und sagte tapfer: »Dieser Vorwurf ist ungeheuerlich, auch ich habe meine Rechte, ich habe niemals …«
    Deutlich genervt unterbrach ihn Bürgisser ein letztes Mal: »Machen Sie Ihren Hosenschlitz zu, Mann, und verlassen Sie sofort mein Büro.«
    Mit geschlossenem Hosenschlitz wankte Benz in sein Büro zurück. Sandra Muggli hatte es sich bereits hinter seinem Schreibtisch bequem gemacht und ein neues Schild aufgestellt: Sandra Muggli, Executive Junior Director Private Banking, las Benz mit zusammengekniffenen Augen.
    »Sie verlogenes Biest, Sie falsche Schlange, das werden Sie noch bereuen«, schäumte Benz.
    Sandra Muggli blickte ihn mitleidig an: »Ich stehe halt nicht auf unterdotierte Losertypen«, sagte sie maliziös und überreichte Benz eine Pappschachtel, in die sie fein säuberlich seine persönlichen Effekten gelegt hatte, zuoberst die Packung Präservative extra small.
    So eine Schweinerei, dachte Bürgisser zwei Stunden später, als die Spezialeinheit der Zürcher Kantonspolizei wieder abgerückt war. Ein blutverschmierter Benz, der mit irrem Blick immer noch einen Brieföffner der Kreditunion umklammert hielt, und die von unzähligen Stichen übersäte Leiche von Sandra Muggli waren getrennt, aber beide sehr diskret abtransportiert worden. Der Hauptkommissär hatte garantiert, dass die Medien nichts von diesem bedauerlichen Vorfall erfahren würden, nachdem ihm Bürgisser einen hübschen Nachlass auf die Hypothek für seine Eigentumswohnung in Seebach gewährt hatte.
    Nun noch ein Sondereinsatz des Hausreinigungsdienstes, war ja nicht das erste Mal, dann ein paar Gespräche mit Staatsanwaltschaft, psychiatrischem Dienst und dem zuständigen Richter, und auch dieser tragische Zwischenfall würde hinter den dicken Mauern der Kreditunion vorläufig eingesargt sein. Wenn dann in zwei Jahren der Prozess stattfinden würde, würde die Kreditunion aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes jeden Kommentar verweigern, und wer interessierte sich dann überhaupt noch für diese uralte Story.
    Aber wirklich eine Tragödie, dachte Bürgisser, Sandra war definitiv eine Bombe im Bett gewesen.

Neunundvierzig
    Äbersold spürte plötzlich eine ihm sonst fremde Regung: Mitleid.
    Eigentlich hatte er Wäckerli kurz abbürsten wollen. Was fiel dem auch ein, nur weil er bei Äbersold sein persönliches Vermögen geparkt hatte, gab ihm das doch kein Recht, ihn wegen der Kreditvergabe der Banken im Allgemeinen und der Kreditunion im Speziellen zu löchern.
    Okay, Wäckerlis Bude, die sich auf die Herstellung von Hochspannungsleitungen spezialisiert hatte, spürte wie alle Firmen die Auswirkungen des kleinen Schlamassels, das im roten Bereich zockende Banker angerichtet hatten. Aber was hatte das mit ihm, Äbersold zu tun? »Da müssen Sie sich an unsere Kreditabteilung wenden, Herr Wäckerli, ich mehre hier Ihr Vermögen beziehungsweise schütze es vor weiteren Verlusten, nicht wahr«, hatte Äbersold bereits ausgeführt, als ihn plötzlich dieses merkwürdige Mitgefühl überfiel. Ich habe eigentlich sowieso die Schnauze voll, dachte er, wieso soll ich dem armen Hund nicht mal ein paar Zusammenhänge erläutern.
    »Aber gut, Herr Wäckerli, ich will Ihre Frage, wieso Sie als mittelständisches Unternehmen den Kredithahn zugedreht kriegen, während fast alle Staaten den Banken Geld praktisch

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