Zauber der Leidenschaft
Aber es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, dass sie eine Beere nach der anderen aus seiner Handfläche nahm. Ja, er schien es sogar zu genießen.
»Mein neuer kleiner Liebling ist ein Pflanzenfresser«, sagte er. In seiner rauen Stimme lag eine gewisse Belustigung.
Von der Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht verwirrt, blickte sie sich noch einmal um. »Es ist kälter hier oben. Warum mussten wir so hoch hinaufgehen?«
»Weil die meisten anderen Geschöpfe es nicht tun.«
»Deswegen müsstest du dir keine Sorgen machen, wenn du mich losmachst. Ich kann mit den Tieren sprechen.«
»Mh-mmh.«
»Ich meine es ernst, Dämon. Ich kann mit ihnen sprechen, und sie verstehen mich.«
»Diese Fähigkeit wirst du jedenfalls nicht brauchen. Ich werde dich vor jeder Gefahr beschützen.«
»Gefahr.« Je tiefer sie ins Reich der Finsternis vordrangen, umso öfter bemerkte sie, wie er Spuren auf dem Boden untersuchte. Und ihr fiel immer wieder auf, dass er seine Hand auf dem Schwertgriff ruhen ließ. »Wir sind in Gefahr. Na toll. Du hast mich in den gefährlichsten Teil des ganzen Königreichs verschleppt, die Heimat von RVAGs und dergleichen, und mich gefesselt, damit ich mich nicht verteidigen kann.«
»Ratten von außergewöhnlicher Größe? Ich glaube nicht, dass es die wirklich gibt.«
Ihr blieb der Mund offen stehen. Er kannte Die Braut des Prinzen !
»Sieh mich nicht so entsetzt an«, sagte er mürrisch. »In unserem ortsansässigen Hexenkoven läuft dieser Film rund um die Uhr. Sie trinken jedes Mal, wenn sie ›mein geliebter Westley‹ oder so was hören. Den Film kann man gar nicht ignorieren.«
»Bist du oft in diesem Koven? Zu Besuch bei den Hexen ?« Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie diese kleinen mystischen Söldnerinnen um den hoch aufragenden Dämonenkönig herumscharwenzelten. Sabine konnte Hexen nicht leiden, sie traute ihnen nicht.
»Du klingst herablassend. Sind die Sorceri nicht mit den Hexen verwandt?«
»Entfernt.« Sie hatten zwar gemeinsame Vorfahren, teilten die Vorliebe für wüste Gelage, und einige ihrer Fähigkeiten waren austauschbar – und damit stehlbar –, dennoch waren und blieben die Sorceri eine einzigartige Kultur, die sich deutlich von den erdverbundenen Hexen unterschied. »Also, beantworte meine Frage.«
»Ich bin schon ein paarmal dort gewesen«, sagte er. »Wie du hättest sehen können, als du widerrechtlich in mein Gehirn eingedrungen bist, ist mein guter Freund Bowen mit Mariketa der Langersehnten verheiratet.«
Von dieser Frau hatte Sabine schon gehört, aber das hatte wohl fast jeder in der Mythenwelt. Sie war die Mächtigste aller Hexen und im Umgang mit Spiegeln so begabt, dass sie zur Königin der Reflexionen ernannt worden war.
Ihre Fähigkeiten zu stehlen – das wäre ein Ding! Aber es war gefährlich, sich mit einer Hexe oder gar einem ganzen Koven anzulegen. Eine Hexe konnte einer Sorceri die Macht stehlen – wenn sie sie tötete. »Ach ja, ich erinnere mich an Bowen. Er ist der, auf den du eifersüchtig bist.«
»Ich war nicht eifersüchtig auf ihn, ich habe ihn lediglich darum beneidet, dass er bereits seine Gefährtin gefunden hatte.«
»Aber das hast du doch jetzt auch.«
»Endlich.«
»Und doch bindest du sie nicht los?«
»Sie würde bei der ersten sich bietenden Gelegenheit weglaufen. Und möglicherweise mein Kind mitnehmen. Beide sind mir viel zu wertvoll, als dass ich es riskieren würde, sie zu verlieren.«
Ob ich ihm sagen soll, dass ich nicht schwanger bin? Es würde ihn nur wieder wütend machen. Dabei schien er jetzt zum ersten Mal seit sie ihn kannte, etwas gelassener zu sein. Sogar in jener ersten Nacht, bevor er herausgefunden hatte, wer sie war, war er nervös gewesen.
Sie beschloss, dieses Wissen vorerst für sich zu behalten. Die Sorceri waren nicht umsonst für ihre Zurückhaltung bekannt.
Als er sich vorbeugte und sie auf die Nase küsste, fragte sie: »Wofür war das denn?«
»Deine Sommersprossen sind weg. Ich hab dir doch gesagt, dass bei Sonnenuntergang alles wieder in Ordnung sein würde.« Sein Blick senkte sich kurz zu ihren Brüsten.
Sie war in der Tat wieder völlig geheilt, und die Sonne ging unter, ein weiterer Tag neigte sich dem Ende zu. Sie blickte gen Horizont auf die letzten Reste des Lichts. Das hieß, dass sie dem Tag, an dem das Morsus zuschlagen würde, wieder ein Stück näher war. Auch wenn ihr noch beinahe zwei Wochen blieben, so hatte doch die Angst an ihr zu nagen begonnen.
Im
Weitere Kostenlose Bücher