Zauber des Orients
war. Das Gesetz war zu einer Zeit in Kraft gesetzt worden, in der das Land mit vielen Angriffen zu kämpfen hatte, und sollte es vor der Übernahme durch feindliche Länder schützen.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren fürchtete Nadim, dass seine Herrschaft über das Land angreifbar war. Seit seiner Heirat mit Iseult waren einige seiner Untertanen sehr aufgebracht, weil ihr Scheich sich keine Merkazadi zur Ehefrau genommen hatte. Deshalb hatte Nadim seinen Bruder gebeten, an seiner Stelle zu regieren, bis er mit seinem Erben zurückkehren würde.
Salman wusste selbst nicht genau, was ihn dazu bewegt hatte, Ja zu sagen. Auf keinen Fall hatte es damit zu tun, dass er ruhelos war, seit er Jamilah vor einem Jahr auf der Feier des Sultans wiedergesehen hatte.
Seine Augen verdunkelten sich zornig. Er hätte ihr den Rücken zudrehen sollen, als er ihr damals in Paris wieder begegnet war!
Aber er konnte ihr einfach nicht widerstehen. Obwohl er genau wusste, dass sie viel zu unverdorben für sein kaltes Herz war, hatte er sie verführt. Er hatte ihr die Unschuld genommen und sich selbst wieder einmal bewiesen, wie skrupellos er war.
Salmans Magen krampfte sich bei dem Gedanken an Jamilahs leichenblasses Gesicht schmerzhaft zusammen. Er hatte ihr das Herz gebrochen. Selbst heute noch konnte er die Erinnerung an den unermesslichen Schmerz in ihren Augen kaum ertragen. Damals hatte er sich eingeredet, dass er ihr einen Gefallen tat.
All diese Erkenntnisse hatten ihn allerdings nicht davon abhalten können, Jamilah auf der Feier des Sultans zu küssen. Wie wunderschön, selbstbewusst und willensstark sie ausgesehen hatte! Bei dem bloßen Gedanken an ihren Begleiter wurde Salman von einer unbändigen Eifersucht ergriffen.
Seit jenem Abend wollte er keine andere Frau mehr in seinen Armen halten. Jamilahs zarte und doch so weibliche Figur, ihr Lachen, ihre Stimme, die seinen Namen flüsterte, waren ständig in seinem Kopf. Ihr Gesicht stand so klar vor seinen Augen, als wäre es dort eingebrannt.
Sein Bruder ahnte offenbar, dass zwischen ihm und Jamilah etwas vorgefallen war. „Du wirst in Merkazad nicht viel von Jamilah sehen“, hatte er Salman bei ihrer letzten Begegnung erklärt. „Sie lebt und arbeitet bei den Ställen und ist mit ihrer Arbeit dort sehr beschäftigt.“
Das passt mir sowieso am besten, redete Salman sich ein. Bei den Stallungen würde er Jamilah sicherlich keinen Besuch abstatten. Der bloße Gedanke, jemals wieder ein Pferd zu Gesicht zu bekommen, sandte kalte Schauer seinen Rücken hinunter.
In diesem Moment begann der Hubschrauber mit dem Anflug. Der unverwechselbare Umriss des weißen Palastes wurde immer größer und deutlicher. Die kunstvoll verzierten Wände und die flachen, terrassenförmig verschachtelten Dächer waren Salman schmerzlich vertraut. Ihr Anblick löste eine Flut von Erinnerungen aus, einige davon erfüllten ihn mit Grauen. Plötzlich glaubte er zu ersticken. Hastig lockerte er seinen Hemdkragen.
Salman musste sich zwingen, dem Piloten keine Anweisung zur Umkehr zu geben. Aber er würde diesen Monat überstehen, genauso, wie er jeden Tag seines Lebens hinter sich brachte.
„Miss Jamilah! Sie werden nicht glauben, in was für einem Zustand Scheich Salman aus dem Hubschrauber gestiegen ist! Sein Hemd hing ungebügelt aus der Hose, und die Jeans waren ganz zerrissen!“, empörte sich die Haushälterin Hana mit hochrotem Gesicht. „Er sah aus wie ein … wie ein Rockstar! Nicht wie ein Scheich, der gleich den Thron von Merkazad besteigt! Er ist wirklich kein bisschen wie sein Bruder. Was für eine Schande für …“
„Hana, das ist genug“, mahnte Jamilah sanft.
Seit Salmans Ankunft am Vortag fiel es ihr schwer genug, auch nur ihre täglichen Aufgaben zu erledigen. Das Letzte, was sie brauchen konnte, waren detaillierte Informationen über sein Aussehen.
Die ältere Frau errötete beschämt. „Entschuldigen Sie, Miss Jamilah.“
Jamilah bemühte sich um ein Lächeln. „Keine Sorge, Hana. Scheich Salman ist ja nur so lange in Merkazad, bis Nadim und Iseult wieder zurück sind. Danach wird alles wieder wie vorher sein.“ Der letzte Satz war mehr an sie selbst gerichtet als an die Haushälterin.
Hanas rundes Gesicht hellte sich sofort wieder auf. „Und bald haben wir dann das kleine Baby im Palast!“
Jamilah hörte nur mit halbem Ohr zu, als die Haushälterin aufgeregt weiterplapperte. Sie hoffte, dass sich der Stich, den Hanas Worte ihr versetzt hatten, sich nicht
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