Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
und den Drachen in mir akzeptieren. In uns«, meinte er nachdenklich.
Sie schwiegen, während die Wellen an ihnen vorbeirauschten.
Etwas baute sich in dem Schiff auf, wie Gift, das in der Mähne einer Seeschlange aufwallte. Und als sie sprach, brach diese Bitterkeit auf wie ein Abszess. »Ein schöner Moment, um mir das vorzuschlagen, Wintrow Vestrit. Wirklich ein schöner Moment.«
Sie streckte ihn nieder wie ein Drache, der eine lästige Krähe verscheucht. Der Zweibeiner fiel rücklings auf ihr Deck. Blut rann aus seiner Nase und tropfte auf ihre Planken. Obwohl das Schiff trotzig brüllte, absorbierten ihre Bohlen die rote Flüssigkeit. Damit nahm sie ihn in sich selbst auf.
16. Tintaglias Angebot
Reyn holte tief Luft und schlug die Augen auf. Es war finster.
Er hatte von der Drachenkönigin geträumt, die in ihrem Kokon eingesperrt war. Der Traum hatte immer noch die Macht, seinen Herzschlag zu beschleunigen. Ihm brach der kalte Schweiß aus. Er lag still da, keuchte und verfluchte die Kreatur und die Erinnerungen, die sie ihm hinterlassen hatte. Er würde versuchen, wieder einzuschlafen. Seine Wache fing bald an, und er würde es bedauern, wenn er zu viel Schlaf wegen dieses Albtraums verloren hatte. Er hielt die Luft an und lauschte dem lauten Schnarchen von Grag und dem leiseren Atmen von Selden. Er drehte sich rastlos herum und versuchte, eine gemütlichere Position in den schweißigen Laken zu finden. Wenigstens hatte er ein Bett für sich! Darüber war er froh. Viele andere mussten sich eins teilen. In den letzten Tagen war der Haushalt der Teniras immer größer geworden. Mittlerweile umfasste er einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung Bingtowns.
Die gerade erst ausgebrütete Allianz zwischen den Alten und Neuen Händlern, dem Drei-Schiffe-Volk und den Sklaven war beinah noch während ihrer Brutzeit gestorben. Die Gruppe, die sich um den Tisch der Teniras versammelt hatte, war kühn zum Restate-Anwesen gezogen und hatte Einlass verlangt. Verstärkt wurde sie von einigen Repräsentanten der Neuen Händler. Ihre Spione hatten bereits beobachtet, wie die Vorsitzenden des Bingtown-Konzils hineingegangen waren. Eine Gruppe von Roeds tollwütigen Anhängern war ebenfalls versammelt. Reyn hatte sich gefragt, ob sie nicht freiwillig den Kopf in die Schlinge steckten. Aber Serilla hatte bei ihrem Eintreten ruhig gewirkt. Roed Caern stand wütend hinter ihr. Trotz seiner finsteren Blicke und gemurmelten Beschwerden hatte die Gefährtin sie alle eingeladen, um an dieser, wie sie es nannte, »zwanglosen Diskussion über Bingtowns Zukunft« teilzunehmen. Aber noch während sie sich am Verhandlungstisch niederließen, waren Trompetenstöße und Alarmglocken aus der Stadt zu hören. Reyn hatte zunächst Verrat befürchtet, als sie hinausstürzten. Doch ein Wachposten hatte ihnen vom Dach zugerufen, dass eine Flotte chalcedeanischer Schiffe sich dem Hafen von Bingtown näherte. Roed Caern hatte sofort sein Schwert gezogen und gebrüllt, dass die Neuen Händler dieses Treffen infiltriert hätten, um sich aller rechtmäßigen Anführer Bingtowns zu entledigen, während ihre chalcedeanischen Verbündeten ihren Angriff ausführten. Wie tollwütige Hunde hatten er und seine Gefolgsleute sich auf die Neuen Händler gestürzt. Alle hatten Messer gezogen, obwohl keiner Waffen hatte mitbringen sollen.
Das erste Blut des neuesten chalcedeanischen Angriffs war dort auf der Türschwelle des Restate-Anwesens vergossen worden. Aber man musste den Vorsitzenden des Händler-Konzils zugute halten, dass sie sich Roed entgegengestellt hatten und ihn und seine Männer mit Gewalt davon abhielten, die Drei-Schiffe-Immigranten und die Delegierten der Neuen Händler zu massakrieren. Die Leute flohen vor Roeds wahnsinnigem Wüten und beeilten sich, ihre eigenen Häuser und Familien vor den Invasoren zu schützen. Das war vor drei Tagen gewesen.
Die Chalcedeaner waren gekommen und hatten den Strand regelrecht überschwemmt. Segelschiffe und Rudergaleonen hatten den Hafen besetzt und spien Krieger auf die Docks. Ihre geballte Macht hatte die unorganisierten Bingtowner überwältigt, und sie hatten den Kendry erbeutet. Das Schiff wehrte sich, kämpfte gegen die kleinen Boote an, mit denen die chalcedeanischen Seeleute ihn aus dem Hafen zogen. Mehr wusste Reyn nicht über das Schicksal des Schiffes und der Mannschaft. Er überlegte, ob sie den Kendry wohl dazu zwingen konnten, den Regenwildfluss bis nach Trehaug
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