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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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anders als die Tätowierungen auf den Gesichtern der ehemaligen Sklaven? Seine Mutter hatte ihr Haar wie Ronica zu einem festen Zopf geflochten. Und statt ihrer gewohnten fließenden Röcke trug sie eine Hose. Als er sie verwirrt ansah, sagte sie nur: »Ich will mich von Röcken nicht behindern lasse, wenn wir angreifen.«
    Er starrte sie an und wartete auf das Lächeln, das ihre Bemerkung ins Scherzhafte ziehen würde. Aber sie lächelte nicht, sondern sagte nur ruhig: »Es hat keinen Sinn, darüber zu diskutieren. Wir wussten alle, dass du dem widersprechen würdest.
    Es wird Zeit, dass sich die Männer von Bingtown daran erinnern, dass Frauen und Kinder genauso viel riskiert haben wie sie, als wir hierher kamen. Wir kämpfen heute alle, Reyn. Es ist besser, in einem Kampf zu sterben, denn als Sklaven weiterzuleben, nachdem unsere Männer bei dem Versuch gestorben sind, uns zu beschützen.«
    Grag lächelte gequält. »Nun, das nenne ich Optimismus.« Er sah seine Mutter an. »Du auch?«
    »Natürlich. Glaubst du denn, dass ich für dich kochen kann und dich dann zum Sterben hinausschicke?«, sagte Naria Tenira bitter, während sie einen dampfenden Apfelkuchen auf den Tisch stellte. »Ich habe ihn für dich gemacht, Grag«, fuhr sie sanfter fort. »Ich weiß, wie gerne du ihn isst. Im Speisesaal gibt es Fleisch, Bier und Käse, wenn dir das lieber ist. Diejenigen, die vor euch hinausgegangen sind, wollten lieber eine herzhafte Mahlzeit gegen die Kälte.«
    Es war vielleicht ihr letztes gemeinsames Mahl. Wenn die Chalcedeaner sie heute überrennen sollten, würden sie die Speisekammer leer vorfinden. Es hatte keinen Sinn, noch etwas zurückzuhalten, weder Nahrung noch das Leben von geliebten Menschen. Trotz der drohenden Zerstörung, oder vielleicht gerade deswegen, duftete der warme Obstkuchen, der mit reichlich Honig und Zimt versehen war, so gut wie noch nie.
    Grag teilte ihn in großzügige Stücke. Reyn stellte Selden das erste Stück hin und nahm dann das zweite. »Danke«, sagte er leise. Etwas anderes wusste er nicht zu sagen.
    Als Tintaglia hoch über dem Hafen von Bingtown kreiste, kochte der schwelende Zorn in ihr schließlich über. Wie konnten sie es wagen, einen Drachen so zu behandeln? Sie mochte die Letzte ihrer Art sein, aber sie war immer noch eine Herrin der Drei Reiche. Dennoch hatten die Menschen in Trehaug sie abgewiesen, als wäre sie ein Bettler, der an ihre Tür klopfte.
    Als sie über der Stadt kreiste und ihnen zubrüllte, wo sie landen würde, hatten sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Pier von Gütern zu räumen oder sie zu verlassen. Als sie schließlich gelandet war, waren die Menschen schreiend weggelaufen, während sie mit ihren Flügeln Kisten und Fässer in den Fluss gefegt hatte.
    Sie hatten sich vor ihr versteckt und ihren Besuch mit Verachtung erwidert, statt ihr Nahrung anzubieten. Sie hatte gewartet und sich gesagt, dass sie eben Angst hatten. Schon bald würden sie sich zusammenreißen und ihr angemessen gegenübertreten. Stattdessen hatten sie ihr Männer mit improvisierten Schilden entgegengeschickt, die Bogen und Spieße trugen. Sie rückten in einer Reihe gegen sie vor, als wäre sie eine herumstreunende Kuh, die wieder in die Herde zurückgetrieben werden musste, und nicht eine Herrscherin, der man zu dienen hatte.
    Trotzdem hatte sie sich zurückgehalten. Viele Generationen dieser armseligen Kreaturen waren vergangen, seit ein Drache ihnen zuletzt einen Besuch abgestattet hatte. Vielleicht hatten sie die angemessene Höflichkeit einfach vergessen. Doch als sie die Menschen grüßte, als hätten sie ordnungsgemäß ihren Gehorsam geleistet, benahmen sich einige, als könnten sie Tintaglia nicht verstehen. Andere schrieen: »Sie redet, sie redet!«, als wäre das ein Wunder. Sie hatte geduldig gewartet, bis sie sich wieder beruhigt hatten. Schließlich war eine Frau vorgetreten. Sie richtete ihren Speer auf Tintaglia. »Warum bist du hier?«, fragte sie.
    Sie hätte die Frau zertreten oder das Maul öffnen und sie mit einem Atemstoß vernichten können. Doch erneut zügelte Tintaglia ihren Ärger. »Wo ist Reyn?«, fragte sie. »Schickt ihn zu mir.«
    Die Frau packte den Speer fester. »Er ist nicht hier!«, verkündete sie schrill. »Und jetzt geh weg, bevor wir dich angreifen!«
    Tintaglia hatte mit ihrem Schwanz gezuckt und eine Pyramide aus Kisten in den Fluss gefegt. »Schickt mir Malta. Schickt mir jemanden, der intelligent genug ist zu reden, bevor er

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