Zeig mir den Tod
Jahren spurlos verschwunden. Sie war damals sechs Jahre alt. Ich habe die Ermittlungen geleitet. Soko
Gartenkind.
Wir konnten den Fall nie aufklären.«
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4
Donnerstag, 22 Uhr 30
A ua, aua«, krächzte Cockoo.
Uwe Berger nahm den grobgezackten Pflegekamm aus dessen Kopfgefieder. Sofort flatterte der große weiße Vogel auf seine Schulter und legte den Kopf schief. »Aua, aua«, stieß er erneut aus.
»Klappe!« Uwe küsste den Kakadu auf den Schnabel, reinigte den Kamm mit heißem Wasser und legte ihn in den Unterschrank zu den Fellbürsten, Krallenscheren und Entfilzungsmessern. Dann setzte er sich an den Schreibtisch.
Drei Rechnungen waren heute zu schreiben. Nicht viel. Doch an manchen Tagen kamen auch mehr Patienten, manchmal über zehn, und er war, weil er sich viel Zeit für sie nahm, dann nachts mit der Buchhaltung beschäftigt. Die Zeit für den Papierkram hätte er lieber in die Arbeit mit seinen Schützlingen investiert, und so war er froh, wenn der Ansturm sich in Grenzen hielt.
Er öffnete die Formularvorlage auf dem Rechner.
Der Husky mit der Blutegeltherapie würde ein schwerer Fall werden. Sein Besitzer sah nicht ein, dass die Spondylose geröntgt und schulmedizinisch behandelt werden musste. Die Randzackenbildung an den Rückenwirbeln des Tieres war trotz Uwes Bemühen schlimmer geworden. Er trug Datum, Diagnose und die Kosten für Untersuchung, Heilverfahren und Beratung ein. Zuzüglich Blutegel. Einhundertundfünfundvierzig Euro netto. Die Blutsauger waren teurer geworden. Neun Euro fünfzig pro Stück. Aber es gab keine Alternative zu dem gerinnungshemmenden und gefäßerweiternden Speichel der Tiere. Nur sie hatten das Hirudin darin. Vor einem Jahr hatten die Züchter noch zwei Euro weniger verlangt.
Katze Tabbys Zahnentzündung war fast ausgeheilt. Und Max rotierte wieder Nacht für Nacht im Hamsterrad. Felix, sein Mensch – wie Uwe gern statt »sein Besitzer« sagte –, hatte bei der Nachuntersuchung neben seiner Mutter gestanden, das winzige Wesen mit beiden Händen sanft an seine Brust gedrückt und ein schüchternes »Danke, Herr Doktor« hervorgepresst. Uwe war ihm durch die Haare gefahren. »Ich bin kein Doktor. Aber helfen kann ich oft trotzdem.«
Er druckte die Rechnungen aus, streckte sich und gähnte. Seine Frau hatte schon oft gesagt, er solle auf Barzahlung bestehen. Aber manche Leute wollten es lieber so, und ihm war es gleichgültig, wenn er ein paar Wochen auf sein Geld warten musste.
»Aua, aua«, begleitete Cockoo das leise Schnarren des Druckers.
Er hielt sich das Ohr zu. »Du nervst, mein Freund.«
Cockoo stellte die Haube auf und wiegte sich auf Uwes Schulter hin und her. »Aua.«
Andere waren in seinem Alter in Rente. Doch Uwe konnte nicht loslassen. Die Tiere brauchten ihn. Und nicht selten brauchten ihn ihre Besitzer noch mehr. Erklären, Mut machen, aber keine falschen Hoffnungen. Darin war er gut.
Er schaltete den Rechner aus und ging von dem modernen Praxisanbau in das Obergeschoss des Fachwerkhauses.
Begeistert flatterte Cockoo auf und landete auf einem der Holzbalken, der sich unter dem offenen Giebel quer durch die Küche zog. »Lass ja die Trockensträuße in Ruhe!«
Streuner hob in seinem Korb die Nase und begrüßte die Ankömmlinge mit einem lauten »Wuff«. Neben dem bollernden Ofen lag der Hund, um dessen Schnauze das Fell silbern und dessen Maul nahezu zahnlos war. Die getigerte Katze lag zwischen Streuners Vorderpfoten, die graue und die schwarz-weiße hatten sich vor seinem Bauch eingerollt. Uwe kraulte den alten Hund am Kopf. Dass der Riesenschnauzer noch lebte, grenzte an ein Wunder.
Uwe zündete den Gasherd an und stellte den Teekessel darauf. Er liebte das Leben auf dem Land. Auch seine Frau hatte sich vom ersten Tag an hier wohl gefühlt. Das Haus besaß Persönlichkeit und Geschichte, und wenn im Winter das Holz der Balken knackte, im Frühjahr der Duft der Wiesen durch die schiefen Fensterchen hereinwehte und er im Herbst die Äpfel, Zwetschgen und Walnüsse in Weidenkörbe ernten konnte, war er vollkommen glücklich.
Als das Wasser kochte, gab er eine kleingeschnittene Ingwerwurzel hinein. »Los jetzt, Cockoo, es ist fünf vor zehn.« Er liebte die große Uhr mit dem Früchtemotiv, die laut tickte und unter dem dritten Querbalken hing. »Der Tee muss köcheln. Wir haben eine knappe halbe Stunde.«
Schon saß der Vogel wieder auf seiner Schulter, und zusammen stiegen sie die schmale Holztreppe hinunter. Die unterste Stufe
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