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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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ächzte gefährlich, und er dachte, dass er sie bald ersetzen musste.
    Schon im Durchgang zu der Voliere schlugen ihm der Geruch nach Talg, Sand und ein aufgeregtes Kreischen entgegen.
    Eigentlich hatte er nie Vögel gewollt. Doch als das Veterinäramt wieder einmal ein Tiergeschäft wegen katastrophaler Hygienezustände dichtmachte und ein Teil der Tiere eingeschläfert werden sollten, so krank waren sie, war er hingefahren, die Zeitung mit dem Bericht noch in der Hand. Sein Mund war trocken gewesen. Eine Woche später stand die Voliere. Acht mal acht Meter Grundriss, fünf Meter hoch. Er hatte sie um eine Gruppe von Bäumen herumgebaut. Ohne Genehmigung. Niemand hatte etwas dagegen gesagt.
    »Hey, meine Schönen. Hier kommt der Boss.« Uwe öffnete die Drahttür. Cockoo kletterte über seinen Arm auf einen Ast.
    Unzählige Pfirsichköpfchen, Sittiche, Zebrafinken und drei Tukane tummelten sich in dem kälteisolierten Teil des Vogelreiches, das direkt an das Haus grenzte. Der Boden war übersät mit bunten Federn. Die offenen Wunden waren verheilt, und das Gefieder der Tiere hatte sich längst erholt. Uwe hoffte, dass auch ihre Seelen wieder freier atmeten. Aber was wusste der Mensch schon von der Seele der Tiere? Er war sicher, dass sie eine besaßen. Dass sie viel mehr bewusst erlebten und über weitaus vielschichtigere Emotionen und kognitive Fähigkeiten verfügten, als die meisten Leute vermuteten oder zuzugeben bereit waren. Wenn er diese Gedanken laut äußerte, stempelten ihn viele als Spinner ab. Vielleicht war er das ja. Mit siebenundsechzig Jahren, einem grauen Zopf und fast ohne Komfort in der Abgeschiedenheit zu leben, war alles andere als Norm. Berger störte das nicht. Er wusste, wer er war. Und was er empfand.
    Bevor er die Gummistiefel anzog, kontrollierte er die Frostwächter und das Licht, füllte das Trinkwasser auf und verriegelte die Volierentür von der Gartenseite aus.
    Der Himmel war klar, und die schneebedeckten Beete und Wiesen schimmerten silbern im Licht des schmalen Mondes. Die Stallungen und Gehege zeichneten sich wie schwarze Würfel auf einem riesigen Spielfeld vor dem Horizont ab. Er hatte sie erst im letzten Sommer erneuert.
    Holz, Steine, Dachpappe, die neue Gehrungssäge, Locheisen und Hebebühne hatten ihn über die Hälfte seiner Jahreseinnahmen und vier Wochen schweißtreibende Arbeit gekostet. Doch es hatte bestätigt: Er, Uwe Berger, war noch immer leistungsfähig. Er konnte mehr als nur Akupunkturnadeln bei Kleintieren und Pferden setzen und Kräutermischungen herstellen.
    Er legte den Kopf in den Nacken, betrachtete die funkelnden Sterne.
    Die Erfahrung war elementar für ihn gewesen. Sich verausgaben. Körperliche Kraft spüren. Seiner Frau noch immer ein starker Partner sein.
    Im vergangenen August waren ihm sein Alter, das Nachlassen der Leistungsfähigkeit, vor allem beim Sex, zum ersten Mal schmerzhaft bewusst geworden. Bis dahin hatten sie die Dinge einvernehmlich arrangiert. Über alles gesprochen. Wenn er versagte, war es nie ein Problem gewesen. Bis diese Sache begonnen hatte.
    Er umrundete den Ziegenstall. Prüfte die Riegel an den Türen.
    Die Stiche bohrten sich wie heiße Pfeile in sein Herz, sobald er daran dachte.
    Leise schob er die Tür zu den Schafboxen auf. Die schwere Wärme der Tiere drang dampfend heraus, und er sog den Duft nach Stroh und Wollfett ein. Alles war still. Der kranke Benno atmete tief und gleichmäßig.
    Zum Schluss umrundete er das Haus. Er musste die Nordfassade erneuern. Die Balken imprägnieren. Zwischenräume verputzen. Im späten Frühjahr würde er sich darum kümmern. Oder im Sommer.
    Eine halbe Stunde nach Beginn seines Rundgangs stand er wieder in der Küche.
    Er füllte zwei blaue Keramikbecher mit dem Ingwersud, gab Honig und Zitrone hinein und trug sie zu dem Holztisch. Dann zündete er die Kerzen in den silbernen Ständern an, löschte das Deckenlicht und setzte sich auf die Eckbank.
    Das flackernde Licht erinnerte ihn an seine Kindheit in diesem Haus. Wenn er mit dreckigen Schuhen und Erde an der Hose vom Spielen hereingekommen war, rannte er als Erstes zu dem Schrank mit den Löwenfüßen und nahm eine Kerze heraus. Seine Mutter hatte oft sein Gesicht zwischen ihre warmen Hände genommen und gelacht. »Du wirst einmal der größte Romantiker der Welt.« Die linke Tür des Möbels klemmte heute noch, und Uwe hatte das antike Stück neben der Küchentür nicht einen Zentimeter verrückt.
    Streuner humpelte herbei. Die

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