Zeilen unserer Liebe (German Edition)
gebracht, virtuell gesehen natürlich: die Vorgeschichte jener Story, die mich später mein Herz kostete.
Und nein, es ist KEINE Übertreibung.
Doch der Weg dorthin war verdammt steinig.
Unzählige Male landete es im Papierkorb und wurde erneut herausgeholt. Ich konnte es weder löschen noch weiter schreiben. Das Ende beschrieb den Anfang unserer Beziehung und erinnerte mich persönlich an das Anziehen einer Handbremse.
Was macht man aber mit einem halb fertigen Manuskript? So etwas Blödes, wie ich, ganz bestimmt nicht ... Weil niemand, wirklich niemand, der halbwegs bei Verstand ist, gezielt nach einer Möglichkeit sucht, ein derartiges Machwerk an den Mann zu bringen. Zu jener Zeit erzählte mir meine Nachbarin, dass sie von ›Kaffeestuben‹ gehört habe, wo Ghostwriter auf Scheinautoren treffen und dass man sich dort - sofern man talentiert ist - eine goldene Nase verdienen kann. Da Geld schon immer zu einer Mangelware im Hause Sunder gehörte, war mein Interesse allein schon deswegen geweckt.
Fündig wurde ich bereits einen Tag später und besuchte dementsprechend noch am selben Tag ebendieses Café, in dem ich jetzt meinem Ex-Freund gegenübersitze, und versuchte, mir einen Einblick in diese Welt zu verschaffen. Und obwohl der liebe Gott zwar sehr geizig bezüglich Reichtum und Glück in der Liebe ist, hat er dennoch bei meinem Verstand alles gegeben.
Wenige Besuche später wusste ich, wie dieses System funktioniert, und war bereit für den Bluff des Jahrhunderts. Was mir noch fehlte, waren die dafür nötigen Utensilien und ein perfekt einstudiertes Pokerface.
Keine Woche später fand ich mich wieder in diesem Café ein. Und legte mit bebenden Händen die neu gekauften, leeren Bücher aus, einschließlich jenem, welches mir gleichermaßen verhasst war, wie es mir am Herzen lag: Stevens Geschenk an mich, zu Beginn meines letzten Studienjahres. Ein Witz, den nur er sich erlauben durfte, weil ich jedem anderen das Ding an den Kopf geworfen hätte. So etwas Kitschiges - und das wusste unser damaliger Freundeskreis - passte nun mal nicht zu Jillian Sunder. Ich hasse dieses ›Bling, Bling‹ und ›Glamour‹ Zeug.
Auf jeden Fall hat dieses ›Teil‹, erst Jahre nach seiner Inbesitznahme von mir, seinen Dienst getan. Es lockte eine Frau an meinen Tisch, die mir ihren erdachten Plot binnen fünf Minuten herunterrasselte, und den ich dann, dreist, wie ich bereits zu dieser Zeit war, mit meinem hochgradig übertrumpfte.
Sie nahm das Manuskript mit, rief mich um fünf Uhr am nächsten Morgen an und vereinbarte einen Termin zur Geldübergabe, bei der ich auch meine erste Verschwiegenheitsvereinbarung unterschrieb. So geriet unsere Geschichte auf den Buchmarkt, die Autorin auf die Bestsellerliste, und ich in diesen für viele absolut unbekannten ›Untergrund‹ einer ganz eigenen ›Mafiawelt‹.
Seitdem schreibe ich für andere. In der Branche besitzt mein Name inzwischen einiges Gewicht. Man findet ihn nicht in den Zeitungen oder dem Internet, aber immerhin ...
»I ch weiß gar nicht, warum du es dir gekauft hast, wo du doch live dabei warst«, scherze ich trocken.
»Oh das?« Er deutet auf den Roman. »Das habe ich nicht für mich geholt, sondern für dich!« Auch das kommt kühl.
»Muss ich das verstehen?«
»Zuerst dachte ich, dass du dich einfach gern an mich erinnert hast ... Aber nachdem ich es das vierte oder fünfte Mal durchhatte, kam mir der Gedanke, dass es so eine Art Vergangenheitsbewältigung sein soll, liege ich richtig?«
»Wow! Schnellchecker!«, feixe ich. »Soll ich Beifall klatschen?«
»Jillian ...«
Sprich meinen Namen gefälligst weniger zärtlich aus, Arschloch! Kommt daher und denkt, er kann sich aufspielen.
»Wenn du glaubst, dass ich irgendwas daran verdient habe, liegst du falsch. Es war ein Freundschaftsdienst ...«
»Wie war das? Du hasst Lügen?«, erkundigt er sich mit erhobenen Augenbrauen. »Alles, was du bisher von dir gegeben hast, war heiße Luft. Wem willst du etwas vormachen? Du hast uns quasi verschenkt, Jil! An eine Fremde! «
Sein barscher Ton, die Tatsache, dass er sichtlich besser informiert ist, als anfangs gedacht und die Situation an sich, bringen mich in Rage. Meine Fassade beginnt, gefährlich zu bröckeln. Kein Umstand, den ich tolerieren kann. Und so gebiete ich mir mit allem, was ich habe, ruhig zu bleiben.
Zugegeben, sehr erfolgreich bin ich nicht.
»Was willst du überhaupt von mir, Steven? Es gab zu dieser Zeit schon lange kein uns mehr,
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