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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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hätten nie in dieses stinkende, verfallene Haus kommen sollen. Sie ging in der Küche hin und her, das Baby auf dem Arm.
    „Mein kleines Mädchen“, murmelte sie. „Mein armes kleines Mädchen.“
    „Das Baby muss wieder ins Krankenhaus“, flüsterte Papa. „Nur für eine Weile. Damit die Ärzte es beobachten können. Basta. Es wird gesund werden.“
    Er starrte aus dem Fenster in die Wildnis.
    „Ich werde härter arbeiten“, sagte er. „Es wird alles fertig sein, wenn sie wiederkommt.“
    „Ich helfe dir“, sagte ich, aber er schien es nicht zu hören.
    Wir aßen Käse und Brot und tranken Tee. Das Baby lag in einer kleinen Tragetasche dicht neben uns. Mama ging die Treppe hinauf, um die Sachen zusammenzupacken, die das Baby im Krankenhaus brauchen würde. Ich legte das Bild mit den Skeletten auf den Tisch und sah es an, aber ich konnte mich nicht konzentrieren.
    „Das ist gut“, sagte Papa, aber er sah es sich auch nicht richtig an.
    Ich ging hinauf und setzte mich auf den Treppenabsatz. Ich beobachtete, wie Mama Hemdchen und Windeln und Wolljäckchen in einen kleinen Koffer warf. Sie hörte nicht auf mit der Zunge ts, ts, ts zu machen und „Ach! Ach!“ zu sagen, als ob sie auf alles böse wäre. Sie sah mich und versuchte zu lächeln, fing aber wieder an, mit der Zunge dieses Geräusch zu machen.
    Nachdem sie fertig war, sagte sie: „Mach dir keine Sorgen. Es ist nicht für lange.“
    Sie beugte sich herab und legte ihre Hand auf meinen Kopf.
    „Wozu sind Schulterblätter da?“, sagte ich.
    „Oh, Michael!“, sagte sie.
    Sie drängte sich an mir vorbei, als ob ich ihr auf die Nerven ginge. Aber als sie auf der Mitte der Treppe war, blieb sie stehen und kam zu mir zurück. Sie glitt mit den Fingern unter meine Schulterblätter.
    „Man sagt, die Schulterblätter sind da, wo die Flügel waren, als man noch ein Engel war. Man sagt, sie sind da, wo einem eines Tages wieder Flügel wachsen werden.“
    „Das ist doch nur eine Geschichte“, sagte ich. „Ein Märchen für kleine Kinder. Oder?“
    „Wer weiß? Vielleicht hatten wir alle einmal Flügel und werden alle einmal wieder Flügel haben.“
    „Glaubst du, das Baby hatte Flügel?“
    „Oh, ich bin sicher, dass die Kleine Flügel hatte. Schau sie dir nur mal an. Manchmal glaube ich, sie hat den Himmel nie ganz verlassen und ist bei uns hier auf der Erde nie ganz angekommen.“
    Sie lächelte, aber sie hatte Tränen in den Augen.
    „Vielleicht fällt es ihr deshalb so schwer, hierzubleiben“, sagte sie.
    Ich beobachtete sie und fragte mich, was sie sagen würde, wenn ich ihr jetzt vom Mann in der Garage erzählen würde. Ich erzählte ihr nichts von ihm.
    Bevor sie wegging, nahm ich noch eine Weile das Baby auf den Arm. Ich berührte seine Haut und seine winzigen weichen Knochen. Ich spürte die Stelle, wo seine Flügel gewesen waren. Dann fuhren wir mit dem Auto ins Krankenhaus. Wir gingen auf die Babystation und ließen Mama und das Baby dort. Papa und ich fuhren wieder zur Falconer Road zurück. Wir saßen im großen leeren Haus und schauten einander an. Dann strich er die Esszimmerwände.
    Ich zeichnete ein Skelett mit Flügeln, die aus Schulterblättern wuchsen.
    Ich schaute hinaus und sah Mina hoch oben auf der hinteren Mauer sitzen.

13
    „Du bist traurig“, sagte sie.
    Ich stand da und schaute zu ihr hinauf.
    „Das Baby ist wieder im Krankenhaus“, sagte ich.
    Sie seufzte. Sie starrte einen Vogel an, der hoch oben am Himmel Kreise zog.
    „Es sieht verdammt so aus, als ob es sterbe“, sagte ich.
    Sie seufzte noch einmal.
    „Möchtest du, dass ich dich irgendwohin mitnehme?“, fragte sie.
    „Irgendwohin?“
    „An einen geheimen Ort. An einen Ort, von dem niemand etwas weiß.“
    Ich schaute zum Haus zurück und sah Papa durch das Esszimmerfenster. Ich schaute Mina an, und sie sah durch mich hindurch.
    „Fünf Minuten“, sagte sie. „Er wird nicht einmal merken, dass du weggegangen bist.“
    Ich drückte mir die Daumen.
    „Komm“, flüsterte sie.
    Und ich öffnete das Gartentor und schlüpfte hinaus auf die Straße.
    „Schnell“, flüsterte sie und bückte sich und rannte los.
    Am Straßenende bog sie in eine andere Straße ein. Die Häuser hinter den Mauern waren hier höher und älter. Die Gärten waren größer, die Bäume riesig. Es war die Crow Road.
    Mina blieb vor einem dunkelgrünen Gartentor stehen. Sie nahm einen Schlüssel von irgendwoher, schloss das Tor auf und schlüpfte hinein. Ich folgte ihr. Etwas

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