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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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mir ein Licht aufginge.
    Er hatte eine Speisekarte vom Chinesen an der Ecke in der Hand. „Wir holen’s uns, wenn Mama zurück ist. Was stellst du dir vor?“
    „27 und 53“, sagte ich.
    „Nicht schlecht“, sagte er, „ohne zu gucken. Was ist dein nächstes Kunststück?“
    Er schrieb alles auf. „Chow Mein spezial für Mama, Frühlingsrollen und Schweinefleisch Char Sui für dich, Rindfleisch und Pilze für mich, knusprige Meeresalgen und Krabbencracker für das Baby. Und wenn es die nicht will, werden wir sie essen, dann geschieht’s ihm recht, oder? Es kriegt eben wieder langweilige Muttermilch.“
    Er rief beim Chinesen an und gab mir Geld. Ich rannte um die Ecke und holte alles. Als ich wieder zurückkam, waren Mama und das Baby da. Sie versuchte sich ganz auf mich zu konzentrieren und wollte alles über die Busstrecke wissen und über die Schule. Dann spie das Baby über ihre Schulter und musste sauber gemacht werden.
    Papa schlang sein Rindfleisch, die Pilze und Meeresalgen und die Krabbencracker hinunter. Er sagte, Ernies Staub verklebe ihm alles, und trank in langen Zügen eine Bierflasche aus. Als er sah, dass ich die Hälfte meines Essens übrig ließ, langte er mit seiner Gabel herüber.
    Ich deckte es mit meinen Händen zu.
    „Du wirst dick“, sagte ich.
    Mama lachte. „Dicker“, sagte sie.
    „Ich bin fast verhungert“, sagte er. „Habe heute für euch alle gearbeitet wie ein elender Sklave.“
    Er streckte die Hand aus und streichelte das Baby am Kinn und küsste es.
    „Besonders für dich, kleines Küken.“
    Ich hielt meine Hände immer noch über das Essen.
    „Fettkloß“, sagte ich.
    Er hob sein Hemd hoch und griff mit den Fingern an seinen Bauch.
    „Siehst du?“, sagte Mama.
    Er schaute uns an. Er tunkte einen Finger in die Soße an meinem Tellerrand.
    „Köstlich“, sagte er. „Aber genug ist genug. Ich hatte wahrhaft reichlich zu essen, danke.“
    Dann ging er zum Kühlschrank und holte sich noch ein Bier und ein riesiges Stück Käse.
    Ich kippte, was von 27 und 53 übrig geblieben war, in die Fertiggerichtschachteln und stellte sie draußen in den Abfalleimer.

9
    Später an diesem Abend sah ich Mina noch einmal. Ich war mit Papa im kleinen Vorgarten. Wir standen inmitten von Disteln und Löwenzahn. Wie gewöhnlich erzählte er mir, wie wunderbar es werden würde – da Blumen, dort ein Baum und eine Bank unter dem Fenster auf der Vorderseite. Ich sah sie von fern auf unserer Straßenseite. Sie saß auf einem Baum in einem Vorgarten. Sie saß auf einem dicken Ast. Sie hatte ein Buch und einen Bleistift. Den Bleistift hatte sie in den Mund gesteckt und starrte in den Baum hinauf.
    „Ich frag mich, wer das wohl ist.“
    „Sie heißt Mina.“
    „Ah.“
    Sie musste uns gesehen haben, als wir zu ihr hinübergeschaut hatten, aber sie bewegte sich nicht.
    Papa ging hinein, um den Zement im Esszimmer zu prüfen.
    Ich ging zum Gartentor hinaus, die Straße entlang und sah in den Baum zu Mina hinauf.
    „Was machst du da oben?“, sagte ich.
    Sie machte ts, ts, ts. „Du Dummian“, sagte sie. „Du hast sie verscheucht. Typisch.“
    „Was verscheucht?“
    „Die Amsel.“
    Sie nahm Buch und Bleistift in den Mund, schwang sich über den Ast und ließ sich herunterfallen. Sie schaute mich an. Sie war klein und hatte rabenschwarze Haare und Augen, bei denen man glaubte, sie könnten durch einen hindurchsehen.
    „Macht nichts“, sagte sie. „Sie wird wiederkommen.“
    Sie zeigte zum Dach hinauf. Dort saß die Amsel, wippte mit dem Schwanz und zwitscherte.
    „Das ist ihr Warnruf“, sagte Mina. „Sie teilt ihrer Familie mit, dass eine Gefahr in der Nähe ist. Gefahr. Das bist du.“
    Sie zeigte in den Baum hinauf.
    „Wenn du dort hinkletterst, wo ich saß, und über den Ast hinaufschaust, siehst du ihr Nest. Es sind drei Kleine drin. Aber wage nicht, dich zu nähern.“
    Sie saß mir auf der Gartenmauer gegenüber.
    „Hier wohne ich“, sagte sie. „Nummer sieben. Du hast eine kleine Schwester?“
    „Ja.“
    „Wie heißt sie?“
    „Wir haben uns noch nicht entschieden.“
    Sie machte ts, ts, ts und drehte die Augen zum Himmel.
    Sie öffnete ihr Buch. „Sieh es dir an“, sagte sie.
    Es war voller Vögel. Zeichnungen, viele davon farbig, in Blau-, Grün- und Rottönen.
    „Das ist die Amsel“, sagte sie. „Sie kommen häufig vor, sind aber nichtsdestoweniger sehr schön. Ein Spatz. Dies hier sind Meisen. Und wunderschöne Buchfinken. Und schau, dies ist die

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