Honor Harrington 14. Honors Krieg
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»Von Ihnen hätte ich etwas Besseres erwartet, Edward.«
Michael Janvier, Baron von High Ridge und Premierminister von Manticore, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte an seiner aristokratischen Nase entlang den Ersten Lord der Admiralität an. Seine Stimme troff vor Missfallen. Die smarte Wand des Konferenzraums war umprogrammiert worden und zeigte nun eine mondbeschienene Waldlichtung, doch der Regierungschef schien den bizarren Kontrast zwischen der gelassenen Ruhe des Bildes und seinem beinahe bockigen Gebaren nicht zu bemerken.
»Keine sieben Monate ist es her«, fuhr er in gemessenem Ton fort, »dass Sie uns versichert haben, die Republik Haven habe keine Lenkwaffen-Superdreadnoughts. Jetzt melden Sie mir, man hätte dort wenigstens sechzig dieser Schiffe in Dienst gestellt – nur vier weniger als wir besitzen. Und ich möchte hinzufügen, dass man es geschafft hat, diese Streitmacht aufzubauen, ohne dass wir auch nur das Geringste davon geahnt hätten.«
Er hielt inne und bedachte den Ersten Lord mit seinem patentierten enttäuschten Blick, und Sir Edward Janacek unterdrückte den sehr starken Drang, wütend zurückzustarren. Typisch High Ridge, mir die ganze Schuld zuzuschieben , dachte er. Aussprechen konnte er seinen Gedanken natürlich nicht. Und so sehr es dem Premierminister auch ähnlich sah, automatisch nach einem Sündenbock zu suchen, in diesem Fall bot sich nun einmal der Kopf der Admiralität dafür an, und deshalb musste Janacek in dieser Konferenz außerordentlich vorsichtig sein.
»Ich wüsste gern«, warf Lady Elaine Descroix ein, als die Sprechpause High Ridges sich hinzog, »wie schlimm die Lage nun wirklich ist.«
»Ja«, stimmte die Gräfin von New Kiev zu, »und nicht nur die militärische, bitte.« Sie bedachte die Außenministerin mit einem scharfen Blick, den zu übersehen Descroix sich größte Mühe gab.
»Ich glaube, Elaine spricht aus, was wir alle denken, Edward«, äußerte High Ridge in unverändert gemessenem Ton, und Janacek biss einen oder zwei Herzschläge lang die Zähne zusammen.
»Offensichtlich«, begann er, als er sich wieder sicher war, seine Stimme unter Kontrolle zu haben, »hat unser Nachrichtendienst auf ganzer Linie versagt, und dadurch ist es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, die Lage einzuschätzen. Ich habe die Natur und das Ausmaß des Schadens selbstverständlich mit Admiral Jurgensen besprochen und kann Ihnen versichern, dass wir jedes verfügbare Mittel nutzen werden, um ihn wieder zu beheben.«
»Ist Jurgensen der richtige Mann, um irgendetwas in Ordnung zu bringen?«, fragte Descroix und zuckte mit den Schultern, als Janacek sie anblickte. »Was auch immer geschehen ist, Edward, eins steht doch fest. Wie Sie gerade selbst zugegeben haben, haben wir ein gewaltiges Versagen unseres Geheimdienstes erlebt, und Admiral Jurgensen ist der Zweite Raumlord. Damit hat er die Verantwortung für das ONI, und mir kommt es ganz so vor, als hätte er dabei versagt.«
»Francis Jurgensen ist ein engagierter, gewissenhafter Offizier«, entgegnete Janacek. Er betonte seine Worte sorgfältig, mit jedem Zentimeter der Navyminister, der einen Untergebenen in Schutz nahm – und das, obwohl er innerlich ganz gewaltig seufzte vor Erleichterung, weil Descroix den anklagenden Finger auf jemand anderen als ihn gerichtet hatte. »Gegenwärtig bewerten wir die Leistungen des ONI grundsätzlich neu und glauben, schon einige Schwachpunkte entdeckt zu haben. Die meisten davon stammen noch aus der Zeit der Morncreek-Admiralität. Aber ich muss leider zugeben, dass wir es sind, die einen beträchtlichen Prozentsatz des Personals auf die jeweiligen Positionen gesetzt haben. Das Problem ist eben, dass jemand in den Akten einen sehr guten Eindruck machen kann und trotzdem einige entscheidende Schwächen hat. Solche Schwächen kommen leider erst dann an den Tag, wenn ein Versagen sie offenbart. Bei der Geheimdienstarbeit geschieht so etwas recht oft, fürchte ich, aber in diesem Fall war der Fehler weit … spektakulärer als sonst.
Ich halte es für unangemessen, Admiral Jurgensen zu diesem Zeitpunkt abzulösen, unter anderem, weil ich finde, dass er die Gelegenheit verdient, die Schwierigkeiten zu beseitigen, auf die er erst in jüngster Zeit aufmerksam geworden ist. Meiner Ansicht nach wäre es falsch, ihn zum Sündenbock für das Versagen zahlreicher Personen zu machen. Außerdem halte ich es für einen schweren Fehler, ›mitten im Rennen
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