Zeitbombe Internet
Computer, das Netz â die Informationstechnik versagt gerade im groÃen Stil. Nie war das Internet dafür vorgesehen, solche Massen hochgradig privater, wirtschaftlich unentbehrlicher und überlebenswichtiger Daten zu befördern und zu verwalten. Seine Protokolle und Programme sind nicht dafür ausgelegt. Seine Benutzer haben nicht gelernt, die Risiken zu beherrschen, weder Unternehmen noch Bürger, noch Staaten. So häufen sich die Pannen. Daten verschwinden, fallen den Falschen in die Hände.
Die Zwischenfälle sind mittlerweile so gefährlich geworden, dass sie groÃe öffentliche Aufmerksamkeit erregen:
- Frühjahr 2009: US-Verteidigungskreise gestehen ungewöhnlich offen ein, dass Baupläne für das neueste Kampfflugzeug der US-Streitkräfte über elektronische Datenkanäle gestohlen wurden. Sie geben chinesischen Hackern die Schuld.
- Frühjahr 2010: An der Wall Street werden innerhalb weniger Minuten Aktienwerte in Höhe von 900 Milliarden Dollar vernichtet, weil Computer verrückt spielen. Neben technischem Versagen und Sabotage gehen die Ermittlungen
sehr bald auch in eine neuartige Richtung: Steckte ein Hackerangriff dahinter?
- Sommer 2010: Die Stanford-Informatikerin Aleksandra Korolova findet eine Datenschutzlücke im Werbe-System von Facebook. Das sogenannte Targeting erlaubt, die Reklame nur an solche Nutzer zu schicken, die bestimmte Eigenschaften haben. Korolova kann damit herausfinden, ob Facebook-Nutzer schwul oder lesbisch sind. Auch Alter, politische und religiöse Einstellungen einzelner Personen kann sie mithilfe des Werbe-Werkzeugs von Facebook ermitteln. Und das ist nur einer aus einer ganzen Reihe von Datenschutzskandalen bei sozialen Netzwerken à la Facebook.
- Winter 2010: Wikileaks, eine Internetseite für das anonyme Veröffentlichen heikler Informationen und Geheimdokumente, gerät unter den Druck der Behörden. Website-Accounts und Bankverbindungen von Wikileaks werden gekappt, der Wikileaks-Gründer Julian Assange flüchtet zeitweise in den Untergrund. Doch eine Art Weltgemeinschaft von Hackern und Computerfreaks stellt sich dem solidarisch entgegen: Wochenlang geraten nun die Firmen unter Hackerbeschuss, die mit den Behörden gegen Wikileaks kooperiert hatten. Unternehmen wie Amazon oder Mastercard registrieren erhebliche Ausfälle, einige ihrer Webseiten sind zeitweise nicht zu erreichen, ihre Kunden waren abgeschnitten.
- Frühjahr 2011: Innerhalb weniger Wochen werden Teile des Welt-Finanzsystems geknackt. In New York wird die Technologie-Börse Nasdaq Ziel eines Cyberangriffs. Zur gleichen Zeit findet in einem Handelssystem in Europa der bis dato gröÃte digitale Diebstahl statt. Drei Mal sind Computerkriminelle in das elektronische Handelssystem der Europäischen Union eingebrochen, wo Industrieunternehmen wie RWE, Heidelberger Zement und Thyssen sogenannte Verschmutzungsrechte kaufen und verkaufen. Nur wer diese Papiere erwirbt, darf die Luft verschmutzen, und die EU hat eine Börse dafür eingerichtet. Erst verschwanden
1,6 Millionen solcher Verschmutzungsrechte in Rumänien von einem Konto, später 480.000 in Ãsterreich â und dann fast zwei Millionen in Estland, Tschechien, Polen und Griechenland. Der Schaden beläuft sich auf bis zu 50 Millionen Euro.
- Frühjahr 2011: Ein groÃer Datenskandal nach dem nächsten wird bekannt. Die amerikanische Marketingfirma Epsilon muss zugeben, dass Millionen von Kundendaten â Namen und E-Mail-Anschriften â an unbekannte Hacker verloren gingen. Epsilon arbeitet sozusagen für das Who is Who der amerikanischen Wirtschaft: Zweitausendfünfhundert GroÃunternehmen von der Finanzgruppe Citigroup über die Hotelgruppe Hilton bis hin zu vielen Tourismus-Einzelhandelsketten. Die waren bis zum Druck dieses Buches immer noch damit beschäftigt, ihre Kunden vor Identitätsdiebstählen und einem Schwall betrügerischer E-Mails zu warnen und möglichen Betrugsfällen nachzugehen.
- Dann musste der japanische Elektronikkonzern Sony zugeben, dass auch er Millionen von Kundendaten verloren hatte. 77 Millionen Besitzer der Spielkonsole Playstation waren betroffen. Banken riefen Sony-Kunden zum Einfrieren der Konten auf. Das Spielkonsolen-Netz blieb wochenlang ausgeschaltet.
- Dann gab ein Hacker namens »TinKode« bekannt, dass er die Computerzugänge samt Passwörtern bei der Europäischen Weltraumbehörde
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