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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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der Barbier muss seine ganze Kunst spielen lassen, damit das gute Stück wieder sitzt wie bei einem Walross.«
    Wilhelm lachte und sagte: »Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?«
    »Nur zu, nur zu.«
    »Warum tragen Sie diesen … diese Affenschaukel, wie die Kameraden in meinem Regiment sagen. Warum quälen Sie sich jede Nacht mit dem Barthalter?«
    Der Freiherr wandte langsam sein Gesicht in Richtung seines Sohnes und senkte den Kopf, so dass Wilhelm unwillkürlich ein Stück zurückwich. »Siehst du das?«, fragte er. »Ich könnte dich damit aufspießen. Der Kaiserbart ist eine Waffe, ein Sinnbild der deutschen Wehrhaftigkeit, klar? Und zum Thema Affenschaukel: Heute darfst du es sagen, ein Mal, weil du Geburtstag hast. Aber dann erwarte ich wieder etwas mehr Respekt vor dem Gesichtsschmuck des Kaisers.«
    Wilhelm wusste nie genau, wann sein Vater solcherlei Zurechtweisungen ernst meinte und wann nicht. Er verfügte über einen komplizierten Humor. Manchmal glaubte man, er erzähle einen Schwank, beginnt herzlich zu lachen und erntet dafür eine Standpauke. Ein andermal lauscht man ernst und konzentriert seinen Erörterungen, und er ist enttäuscht, dass niemand lacht.
    »Diese Dinge wirst du jetzt sehr schnell lernen«, sagte der Freiherr, als habe er die Gedanken seines Sohnes gelesen. »Der Bart des Kaisers ist ein Befehl an das Volk. An den männlichen Teil zumindest. Wenn er ihn morgen abnähme, was meinst du, wie viele Überstunden die Barbiere im ganzen Reich dann machen müssten, um Tausende von Kaiserbärten zu entfernen.« Er lachte und verschluckte sich dabei am Rauch seiner Zigarre, mit der er den Wagen bereits zu einem guten Teil eingenebelt hatte.
    In diesem Augenblick hielt der Horch vor dem Café Kaiserhof, dem vornehmsten Restaurant an der Kaiserallee. Wer hier einen Tisch erhielt, um der Parade des Regenten beizuwohnen, hattees geschafft. Richard Freiherr von Schwemer hatte den begehrten Tisch an der großen Fensterfront reserviert. »Mein Junge«, sagte er, legte eine Hand auf Wilhelms Arm und blickte hinauf zur Leuchtschrift des Restaurants, »ab jetzt sitzt du mit mir in der ersten Reihe. Heute beginnt dein neues Leben. Du wirst alles erreichen, was ich erreicht habe – und noch viel mehr. Aber davon erzähle ich dir später mehr.« Er eilte an dem Türsteher vorbei hinein in die Halle, da am Straßenrand weitere Autos vorfuhren, denen festlich gekleidete Herren entstiegen.
    Wilhelm stand einen Moment still an diesem herrlichen Wintermittag und blickte in den tiefblauen, wolkenlosen Himmel. Zwei ältere Herren in der Ausgehuniform der kaiserlichen Marine schritten auf ihn zu und bemerkten seinen Blick. Einer blieb vor ihm stehen. »Kaiserwetter«, sagte er zu Wilhelm, »das nenn’ ich ein Kaiserwetter! Heute müsste man Geburtstag haben …«
    »Hab’ ich, hab’ ich!«, entgegnete Wilhelm lachend, salutierte respektvoll und eilte seinem Vater hinterher.
    In der ersten Etage des Café Kaiserhof wurden sie zu einem mit Blumen dekorierten Tisch geführt, der unmittelbar an der Fensterfront stand, die einen Panorama-Blick auf die Kaiserallee eröffnete. »Voilà!«, sagte Rudolph von Schwemer und breitete die Arme aus, als wollte er sagen: Dies alles, mein Sohn, lege ich dir zu Füßen! In der rechten Hand hielt er einige Geldscheine, die er diskret dem Livrierten, der sie zu ihrem Tisch gebracht hatte, in die weißen Handschuhe drückte. »Danke, Albert, ich weiß es zu schätzen«, sagt er, ohne den Mann anzublicken, der sich tief verbeugte.
    Während er sich setzte und seinem Sohn bedeutete, dies ebenfalls zu tun, sagte er mit Blick auf die beiden freien Stühle am Tisch: »Wir erwarten noch Rohrbach und Muthesius.«
    »Muthesius?«, fragte Wilhelm.
    »Na ja, dieser neue Architekt, von dem alle sagen: Wenn man baut, dann nur mit ihm.« Wilhelm antwortete nicht, sondern hob fragend die Augenbrauen.
    Der Freiherr ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen, öffnete den obersten Knopf seines Fracks und winkte dem Kellner. Dannbeugte er sich zu Wilhelm. »Ich bin der Meinung«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »wir haben nun lange genug in Friedenau gewohnt. Es ist ein schönes Haus und eine schöne Landschaft, zugegeben. Aber die Gegend – dieses Künstlervolk, das sich überall breitmacht.« Er schüttelte angewidert seinen schweren Kopf, so dass die roten Wangen in Wallung gerieten. »Leute ohne Stil. Und Geld schon gar nicht! Wir brauchen etwas Repräsentativeres, verstehst du? In

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