Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Sebastiano Foscari, weil er waschechter Italiener war und aus Venedig stammte, aber die englische Variante – Sebäästschen gesprochen – klang auch sehr nett.
»Und diese junge Dame hier ist vermutlich Ihre Schwester?«
»Genau«, warf ich schnell ein, bevor Sebastiano das richtigstellen konnte. »Ich bin seine Schwester, und wir waren gerade mit unserer Kutsche unterwegs, als der Räuber uns anhielt, aber zum Glück konnte ich fliehen und kam so hierher zu Mr Turner …«
Ich hätte meine Version gern noch ein bisschen ausgeschmückt, damit sie glaubhafter klang, doch Sebastiano brachte mich mit einem Blick zum Schweigen, und gleich darauf wurde mir auch klar, warum.
»Sie kennen meinen Namen, obwohl wir einander nie vorgestellt wurden?«, fragte Mr Turner mit einem Hauch von Misstrauen in der Stimme.
Sebastiano bügelte meinen Ausrutscher glücklicherweise sofort aus. »Wir erkannten Ihre Bilder unten in der Halle. Ihr Ruhm eilt Ihnen allerorten voraus, es gibt kaum einen Menschen in London, der Ihre Kunst nicht bewundert. So viele Ihrer Meisterwerke in einer einzigen Nacht zu sehen, ist wohl selten jemandem vergönnt. Sogar hier über dem Bett hängt eines.« Er deutete auf ein Bild von einer sturmgepeitschten See, das mir bekannt vorkam. Ich bildete mir sogar ein, es schon mal gesehen zu haben – in einer Ausstellung in zweihundert Jahren.
Sebastiano hatte vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, um Mr Turners Argwohn zu zerstreuen, aber im Grunde stimmte jedes Wort. Dieser Maler war ein Genie. Und genau deshalb war er auch alles andere als dumm. Er merkte genau, dass die ganze Angelegenheit vor Ungereimtheiten nur so wimmelte.
»Es erscheint mir höchst befremdlich, dass Sie heute Nacht in meinem Haus waren, just zum Zeitpunkt des Brandes. Und dass obendrein im selben Augenblick dieser mit Wasser vollgeladene Leiterwagen hier auftauchte, ist erst recht nicht nachvollziehbar. Streng genommen ist es so weit von jeglichem Zufall entfernt wie nur irgend möglich.« Mr Turners Augen nahmen einen bohrenden Ausdruck an. »Ich hoffe doch, Sie haben für all das eine plausible Erklärung, Sir?«
»Selbstverständlich habe ich die«, gab Sebastiano gelassen zurück.
Bewundernd sah ich ihn an, und dabei wurde mir mal wieder bewusst, wie viele Gründe ich hatte, ihn zu lieben. Ich machte mir nicht oft Gedanken darüber, sondern tat es ganz einfach (also ihn lieben), aber manchmal gab es Momente wie diesen, in denen ich mit leuchtender Klarheit begriff, was für ein außergewöhnlicher Mensch er war und was für ein Glück ich hatte, mit ihm zusammen zu sein. Nicht nur, dass er toll aussah, er war auch unglaublich intelligent und besonnen. Das zeigte schon die Tatsache, dass er sich auf die Schnelle eine logische Erklärung für Mr Turner ausgedacht hatte. Das hätte ich nie hingekriegt!
»Ich fürchte nur, mir bleibt keine Zeit dafür«, meinte Sebastiano bedauernd. Er nahm meinen Arm und geleitete mich zur Tür, als wäre ich reif für die Notaufnahme. »Meine Schwester ist von all dem sehr mitgenommen. Sie braucht dringend Ruhe. Sie sehen doch selbst, wie schlecht es ihr geht. Der Rauch ist ihr auf die Lunge geschlagen.«
Na gut, so eine Erklärung hätte ich mir vielleicht auch ausdenken können. Ich überwand meine Verblüffung und hustete rasch, um den maroden Zustand meiner Lunge zu untermalen.
»Mein Bruder hat leider recht«, brachte ich angemessen krächzend hervor – wobei das Krächzen nicht mal gespielt war. Mein Hals fühlte sich wund an, und meine Augen brannten ziemlich. Und mir war, wie ich gerade merkte, ein bisschen schlecht. Ich hatte wohl tatsächlich zu viel Rauch eingeatmet. Und dass ich Ruhe brauchte, war sogar noch untertrieben, denn mit einem Mal fühlte ich mich so schlapp wie nach einem Zirkeltraining bei Herrn Schindelmeier. Ich war zwar seit zwei Jahren mit der Schule fertig (und deshalb zum Glück auch für alle Zeiten mit Herrn Schindelmeiers Sport-GK), doch im Moment taten mir die Muskeln fast so weh wie damals.
»Ich würde mich wirklich gern ein bisschen ausruhen«, gab ich zu.
»Aber gewiss«, sagte Mr Turner erschrocken. »Wenn ich … Soll ich …« Ein wenig hilflos wedelte er mit der Hand herum. »Vielleicht noch ein Glas Wasser?«, schlug er vor.
»Nicht nötig, danke«, antwortete Sebastiano. »Glauben Sie uns einfach nur, dass wir Ihnen wohlgesonnen sind, auch wenn Ihnen die Umstände ein wenig eigenartig vorkommen mögen.«
»Ich glaube Ihnen!« Mr
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