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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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und aus Weidenrinde und Mädesüß ein fiebersenkendes Pulver zubereitet. Er war zufrieden und stellte mich ein. Günstigerweise hatte er auch direkt über der Apotheke eine kleine Kammer für mich frei, die ich noch am selben Tag bezog.
     
    Es vergingen etliche ruhige Wochen. Tagsüber half ich dem Apotheker bei der Herstellung seiner Heilmittel und brachte bestellte Medikamente zu den Kunden. Nachts ging ich in den umliegenden Wäldern auf die Jagd, wenn ich durstig war, oder las, was ich an Büchern in die Finger bekam.
    In manch stiller Stunde sah ich noch mit Grauen das Bild Arlingtons vor mir, wie er sich gemeinsam mit dem Baron of Travisham über die geschundene Dirne gebeugt hatte. Ich begriff nicht, warum er mich überhaupt gerettet hatte, wenn er doch offensichtlich mit dem Baron auf so vertrautem Fuß stand.
    Auch das Gerede, dass er angeblich einen anderen Weg eingeschlagen hatte, als der Travisham und sein Gefolge, war anscheinend nur eine abgefeimte Lüge gewesen. War am Ende alles nur ein abgekartetes Spiel gewesen, damit die beiden eine neue Gefährtin für ihre dekadenten Vergnügungen erhielten?
    Dieser Gedanke erfüllte mich mit unbändigem Zorn. Vielleicht würde ich der Sache eines Tages auf den Grund gehen.
     
    Mit der Zeit hatte Cavendish immer mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten bekommen und ließ mich auch die Besuche bei seinen Stammkunden erledigen. Sir Lanark, der ein Gut im Norden von North Berwick besaß, war einer dieser Stammkunden. Streng genommen war es natürlich Mistress Lanark, Sir Lanarks Gattin, die die Stammkundin des Apothekers war, da sie aufgrund ihrer schwächlichen Konstitution ständig krank war und Medikamente benötigte.
    Cavendish hatte von einem Boten eine Eilbestellung aus Gut Lanark erhalten und bat mich, die bestellten Kräuter dort hinzubringen, nachdem er sie zusammengestellt hatte. Normalerweise händigte ich auf Gut Lanark meine Lieferungen immer gleich direkt in der Eingangshalle an einen Diener aus, doch diesmal bat man mich, die Kräuter schnell selbst in die Gemächer der Mistress hochzubringen.
    Als ich Mistress Lanarks prunkvoll eingerichtetes Schlafgemach betrat, bot sich mir ein ungewöhnliches Szenario: Im Bett lag Mistress Lanark und sah so blass und schwächlich aus, dass ihre Gesichtsfarbe bereits fast einen gräulichen Farbton angenommen hatte. An ihrem Fußende erkannte ich Sir Lanark, der mir schon hin und wieder das Entgelt für eine Lieferung ausgehändigt hatte, und Doctor Stamford, den Arzt von North Berwick, beide mit äußerst gereiztem Gesichtsausdruck.
    Am Bett der Kranken saß eine Frau mittleren Alters, der ich noch nie begegnet war, und gab den umhereilenden Bediensteten Instruktionen: »Öffnet die Vorhänge so weit wie möglich und nun öffnet auch die Fenster und lasst die frische Seeluft herein! Es ist viel zu stickig hier!« Doctor Stamford hob missbilligend die Augenbrauen und Sir Lanarks Blick verengte sich. »Bist du sicher, dass wir Miss Kingsburys Dienste wirklich benötigen?«, fragte er betont ruhig. »Der Doctor kann dir doch auch helfen.«
    »Bitte lasst sie bleiben«, bat Mistress Lanark mit kaum vernehmbarer Stimme. »Ich vertraue ihr.«
    Sir Lanark presste die Zähne zusammen.
    Miss Kingsbury bemerkte mich schließlich und wandte sich mir zu, um das aus den blutbildenden Kräutern Andorn und Isländisch Moos bestehende Päckchen entgegenzunehmen. Sie trug die einfache Tracht der Landfrauen mitsamt Haube und Schürze und lächelte mir mit gelassenem Gesichtsausdruck zu. Ihre Augen hatten einen warmen, dunklen Schimmer und ich sah sie neugierig an, als ich den stummen Gruß erwiderte.
    Geschickt bereitete Miss Kingsbury an einem bereitgestellten Tisch aus den Kräutern einen Teeaufguss, den sie Mistress Lanark verabreichte. Dann wandte sie sich erneut an die Dienerschaft: »Von dem Tee gebt Ihr ihr jede Stunde etwas. Bereitet ihr außerdem ein Kompott aus frischen Quitten, es wird sie ebenfalls stärken. Ich werde morgen wieder nach ihr schauen.«
    Sir Lanark bugsierte uns beide zur Tür heraus. »Vielleicht kannst du Miss Kingsbury nach Hause bringen?«, fragte er mich drängend, während er uns beide für unsere Dienste entlohnte. Dann sah er Miss Kingsbury herablassend an. »Wir werden sehen, ob wir morgen Eure Dienste benötigen.«
    Miss Kingsbury erwiderte seinen Blick ruhig. »Wenn die Mistress nach mir schickt, werde ich kommen.«
    Ich half Miss Kingsbury, den Zweispänner des Apothekers zu besteigen, den ich

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