ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
Dachspitze von einer goldenen Engelsfigur geschmückt wurde. Zu seiner Rechten erblickte er die hölzerne Klappbrücke, die über das Hafenbecken führte, an dessen Kai in Reih und Glied bunte Fischkutter dümpelten.
Zu seiner Linken breitete sich das Blau der Eckernförder Bucht aus. Die Luft roch frühsommerlich und die Welt, auf die er blickte, schien sich in wohligem Erwarten im strahlenden Sonnenlicht zu rekeln. Wieder rieb er sich die Brust, das Feld reichte jetzt sogar bis hierher. Er drehte sich um, die Kirche lag mehr als einhundert hinter ihm.
Er entschloss sich, den Petersberg hinab, über die Holzbrücke, in die Stadt zu gehen, um etwas zu essen. Er freute sich schon auf den Abendgottesdienst. Diese Stadt strahlte eine sonderbare Kraft aus – wie von einer anderen Welt. Freude erfüllte sein Herz und beschwingten Schrittes ließ er die Kirche hinter sich, um das zu seinen Füßen wartende Eckernförde zu erkunden.
In einem Café am Markt nahm er einen Imbiss ein. Er war damit noch nicht ganz fertig, als er auch hier, im Zentrum Eckernfördes, die Wirkung des sich anscheinend weiterhin aufbauenden Liebesfeldes fühlte.
Dieses feine Vibrieren in der Brust elektrisierte ihn, ließ sein Herz schneller schlagen, fühlte sich ähnlich an, wie die Aufregung Verliebter vor dem Date. Gewohnt, seine Mitmenschen aufmerksam zu beobachten, versuchte er die Wirkung des Feldes auch bei anderen zu erkennen. Die für seinen Tisch zuständige Bedienung war schon von Beginn an sehr freundlich und belohnte ihn bei jedem Satz, den er mit ihr wechselte, mit einem offenen und warmherzigen Lächeln. Ihre Kollegin wirkte dagegen nicht so offen und freundlich. Wenn sie an seinem Tisch vorüber eilte, wirkte sie konzentriert und angestrengt.
Er war jetzt gespannt, ob er an ihr eine Veränderung bemerken würde. Da! Sie kam aus der Küche, in den Händen ein ausladendes Serviertablett. Eine Mutter mit Kinderkarre versperrte ihr den Durchgang, bemerkte die hinter ihrem Rücken abwartende Bedienung nicht, doch: statt eines genervten Gesichtsausdrucks, stahl sich nun ein verständnisvolles Lächeln in das Gesicht der Serviererin. Erst jetzt nahm die Mutter Notiz von ihr und gab den Weg frei. Ein freundliches Dankeschön beendete die kurze Szene.
Dieses Feld erreichte demnach auch die Herzen anderer Menschen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass bis zum Beginn der Andacht noch gute vier Stunden blieben. Ob das Feld bis dahin weiter anwachsen würde? Spontan entschloss er sich, die Zeit zu nutzen, um einen Besuch bei Stettners Schwiegermutter zu machen. Vielleicht bekam er von der alten Dame die eine oder andere wertvolle Information?
Auf seinem Weg durch die Stadt wunderte er sich über die vielen Menschen, die ihm zuvor nicht aufgefallen waren. Überall versammelten sich freundliche Leute mit offenen Gesichtern. Einige von ihnen hielten Spruchbänder, auf denen Forderungen standen, wie:
Kerstin, wir lieben dich!
Kerstin, wir sind bei dir!
Keine Macht dem Geld
Wir sind alle eins!
In La'k'esh!
Er war darüber verblüfft. Niemand schien hier auch nur eine Sekunde an den Wahrheitsgehalt von Kerstins Geständnis zu glauben. Er fragte eine Gruppe junger Leute, was für heute geplant sei und erfuhr, dass man sich versammelte, um mit dem Gardinger Pastor Asmussen an der Spitze, einen Solidaritätszug durch die Stadt mit anschließender Fürbitte-Andacht zu veranstalten. Die Leute würden aus allen umliegenden Gemeinden herbeiströmen, um ihre Solidarität und Liebe zu bekunden.
Beeindruckt setzte er, immer wieder fotografierend, seinen Weg fort. Eine Stunde konnte er für den geplanten Besuch erübrigen, danach wollte er sich die Kundgebungen ansehen.
Zum Glück war es zu dem Fachwerkhaus nicht weit. Auf sein Klingeln öffnete Brigitte Nicolai die Tür. Die weißhaarige, überraschend vital wirkende Dame, ließ ihn ein und bot ihm Tee an. Sie setzten sich in die geräumige Wohnküche. Eine weiße Katze strich mit aufrecht stehendem Schwanz durch den Flur, blieb auf der Schwelle zur Küche aufmerksam beobachtend stehen. Ihre Augen ruhten auf dem fremden Gast.
Mit einem Kekskrümel versuchte er sie heranzulocken. »Mara ist scheu. Sie nähert
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