ZEITLOS (German Edition)
Journalist mit routinierter Geste unter die Nase hielt. Dieser sprach bereits die nächste Frage hinein. »Wozu braucht man das?«
»Nun ja, das wirklich Interessante an der Nanotechnologie ist ja nicht die Winzigkeit der Partikel, sondern, dass zum Beispiel ein Siliziumcluster, äh, ich wollte sagen, dass zum Beispiel ein Goldcluster, völlig andere Eigenschaften aufweist als man es von Gold gewöhnlich kennt. Innerhalb spezifischer Grenzen ist es sogar möglich, spezielle Eigenschaften in ein solches Cluster hinein zu designen. Ganz neue Technologien werden dadurch möglich, nicht zuletzt auch für die Herstellung von Mikrochips.«
»Warum hat Kiel die Projektregie übertragen bekommen? Die Amerikaner stellten doch bisher die maßgeblichen Köpfe.«
»Tun sie auch noch, nur wir haben an unserer Uni bereits viel mehr Erfahrung und Know-how in Sachen Clustertechnologien gesammelt. Das wurde wohl bei der Vergabe des Forschungsauftrages erkannt und dem Rechnung getragen. Aber nun müssen Sie mich bitte entschuldigen, ich werde erwartet.« Mit einem Blick auf die Uhr unterstrich Büttner das Ende des Kurzinterviews, blieb stehen und reichte ihm die Hand.
Plätschner schlug ein. »Hat mich gefreut, Herr Büttner. Vielen Dank für das informative Gespräch. Vielleicht finden wir demnächst einmal mehr Zeit, ausführlicher über dieses Projekt zu sprechen? Einen schönen Tag noch!« Die Männer trennten sich. Plätschner überlegte, ob es lohnte Nele zu besuchen. Mittags hatte man am besten die Chance, sich mit ihr in der Mensa zum Essen zu treffen. Okay, das letzte Gespräch lag mehr als drei Monate zurück. Kontakte wollten schließlich gepflegt werden.
Ihm war kalt. Gedankenverloren nahm er einen Schluck aus der Taschenflasche, die seit der Zeit mit Ilka sein treuer Begleiter geworden war. Der Wodka brannte in seiner Kehle, gaukelte ihm ein Gefühl von Wärme vor, die er schon seit damals nicht mehr auf anderem Wege fühlen konnte. Okay, auf zu Nele!
Er führte das Bike lässig mit einer Hand am Sattel neben sich her und schloss es vor dem Hauptgebäude an. Die Scheiben der fünfzehn Stockwerke spiegelten das Blau des Himmels und brachen die Sonnenstrahlen wie ein Kaleidoskop. Geblendet wandte Plätschner den Blick ab, durchquerte die Eingangshalle und erwischte gerade noch den Lift, dessen Tür sich vor seiner Nase zu schließen begann. Er war allein in der Kabine. Im fünften Stock stiegen zwei spärlich behaarte Weißkittel ein, offensichtlich Labormitarbeiter im intensiven Austausch miteinander. Plätschner, gewohnt, wo immer er sich aufhielt, auf Gesprächsfetzen zu achten, filterte die Gesprächsbrocken und reagierte prompt auf die Reizworte Cluster und Photonen-Dissoziation . In der Elften hielt die Kabine und die beiden stiegen aus, Plätschner instinktiv hinterher. Er wollte sehen, zu welchem Bereich die Weißkittel gehörten. Sie verschwanden hinter einer Tür, die mit Lab 1106 beschriftet war.
Die Räume dieses Flurabschnittes gehörten zum Bereich Optik, wie die abgehängten Deckenschilder auswiesen. Neugierig betrachtete er die Beschriftungen der übrigen Türen, konnte aber mit den meisten Bezeichnungen nichts anfangen. Er stutzte jedoch bei einer Tür, die mit FermIR, Raum1119 beschriftet war. Da war er ja genau richtig! Eine andere Tür öffnete sich, heraus kam eine ungeschminkte, junge Frau mit Pferdeschwanzfrisur. Spontan sprach er sie an: »T’schuldigung, bin ich hier richtig? Ich suche die Abteilung für Ferminfrarot-Spektroskopie. Ich soll zu deren Leiter, Herrn… ähm…?«
»Sie meinen Leiterin! Professorin Ashita Lee, Raum 1101, dort entlang!«
»Ähm, ja richtig, Danke vielmals!« Die Naturbelassene entfernte sich ohne Lächeln mit quietschenden Turnschuhschritten. Plätschner sprach seine Stichworte ins Diktiergerät: Ashita Lee, Raum 1101, 1119 Ferminfrarot-Spektroskopie. Dann ließ er das Gerät wieder in der Manteltasche verschwinden. Er würde später, wenn diese verdammte Suchmaschine wieder funktionierte, mehr über Ashita Lee erfahren. Zunächst einmal reichten ihm die wenigen Stichworte, die er erhalten hatte, aus.
Später, an seinem Schreibtisch, wertete er das Diktiergerät aus. Nele hatte ihm tatsächlich dreißig Minuten ihrer kostbaren Zeit geschenkt und auf seine hingeworfenen Köderstichworte reagiert. Zwar nur indirekt, aber das genügte ihm völlig. Nun tippte er einen Kurzbericht in sein Stichworte-Archivierungsprogramm. Erst beim dritten Abhören des
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