Zeitlos
und Wirtschaftsblöcken und einem Garten, der von einer gut drei Meter hohen Mauer eingefasst und dadurch den Blicken Neugieriger entzogen war. Den Zugang in das Innere verwehrte ein doppelflügeliges Tor, welches sich nur dann für wenige Augenblicke öffnete und den Blick in den Hof freigab, wenn ein Bewohner oder einer der nicht selten anzutreffenden Gäste das Anwesen besuchte oder verließ. Dann konnte der interessierte Beobachter die knorrige, wohl an die achtzig Jahre alte Pinie sehen, die von einer halbkreisförmigen Zufahrt umrundet wurde. Diese führte den Besucher bis vor die Eingangsstufen des Haupthauses.
An den gesamten Innenseiten der Schutzmauer gab es in halber Höhe hölzerne Planken, die in früheren Jahrzehnten für den Verteidigungsfall angelegt worden waren. Sie befanden sich im gepflegten Zustand und man fragte sich unwillkürlich, ob man sich noch in Zeiten des Bürgerkrieges befand. Im Hof strichen Katzen umher und in einer Ecke des Anwesens befand sich ein Freigelände für Federvieh. Es war warm an diesem sonnenklaren Augusttag, die Quecksilbersäule des Thermometers neben der Eingangstür zeigte für diese Jahreszeit ungewöhnliche 25° Grad Celsius an.
Juanita Alvarez blinzelte in das grelle Tageslicht, sie beobachtete den verbeulten, ehemals roten Jeep, der nun das Tor passierte und das breite, vier Stellplätze beschattende Carport ansteuerte. Die mächtigen Torflügel schlossen sich lautlos und verriegelten mit leisem Klick. Juanita strich sich mit beiden Händen die glänzendschwarzen Haare zurück und wischte sich die Hände aufgeregt an ihrer Hausmädchenschürze ab.
Señor Alberto, ein Freund von Don Rodriguéz, der nun dem Jeep entstieg und sich seinen Sombrero zurecht rückte kam ihr lächelnd entgegen. »Juanita, Capulla mia! Como estas? Wie schön dich zu sehen!« Er streckte die Arme aus um sie zu begrüßen, sein breites Lächeln legte die vom Cocakauen gelb gefärbten Zähne frei. Der Schnauzbart zuckte unter Alberto Granchos dröhnendem Gelächter als er Juanitas Hand endlich aus seinen mächtigen Pranken freigab. Juanita knickste verlegen und führte ihn in die Diele. Im Innern des Hauses war es angenehm kühl und schummrig, der Geruch geölten Holzes lag in der Luft.
Grancho hängte seinen Sombrero an den Garderobenhaken und bändigte mit der Linken die vorwitzige Haarsträhne, die ihm immer wieder ins Gesicht fiel. Der Don erwartete ihn im Vistador, einem Raum mit riesiger Fensterfront, die den Blick in den Garten freigab. Er war mit dunklen Bodenfliesen und einer schweren hölzernen Ledergarnitur im mexikanischen Stil ausgestattet. An der Decke rotierte lautlos-träge ein Ventilator. Die Wände des länglichen Raumes schmückten Rasseln, Totems und geheimnisvolle Lederstücke, die in hölzerne Rahmen gespannt waren und mit den verschiedenartigsten Stammesabzeichen verziert waren. In einer Ecke stand ein antiker Holzglobus, der bei genauerem Hinsehen bisher noch jeden Besucher veranlasst hatte zu fragen, was die verwirrenden Linien auf ihm darstellen sollten?
Den unwissend Fragenden blieb eine Antwort des Don meist vorenthalten, nur einigen wenigen hatte er die wahre Bedeutung bisher erklärt, die Initiierten fragten ohnehin nicht – sie wussten.
Das Gespräch der beiden Männer dauerte bis in den späten Nachmittag hinein. Zwischendurch musste ihnen Juanita mehrmals frisches Wasser aus der heiligen Quelle bringen. Als Alberto Grancho dann ging, wirkte er ernst. Beim Verlassen des Hauses vergaß er sogar, Juanita beim Abschied in den runden Po zu kneifen, was diese für gewöhnlich mit einem verschämten Kichern quittierte. Diese kleine Neckerei war festes Ritual zwischen ihnen und Juanita entging das veränderte Wesen Señor Granchos keineswegs. Auch auf sie, mit ihrem stets sonnigen Gemüt, übertrug sich die veränderte Stimmung des Besuchers. Nachdenklich sah sie ihm beim Verlassen des Anwesens nach, hob zum Abschied winkend eine Hand, doch auch jetzt kam kein dreimaliges Hupsignal – er schien ihr Winken gar nicht zu bemerken.
»Juanita!« Rasch drehte sie sich um, der Don war unbemerkt in die Diele getreten, hatte der kleinen Abschiedsszene zugesehen. »Ich reise morgen zu einem fünftägigen Kongress nach Europa. Packst du mir bitte den üblichen Koffer?«
»Si, Don Rodriguéz, con mucho gusto, subido!« Juanita knickste und schickte sich an, den ihr gegebenen Auftrag umgehend auszuführen.
Die Boeing 737-800 der United Airlines hob pünktlich
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