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Zementfasern - Roman

Zementfasern - Roman

Titel: Zementfasern - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach <Berlin>
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Gesicht an, das nicht zu ihm passte, Falten einer noch nie gesehenen Freude. Die Barletta ließen eine Wohnung zurück, eine der Unterkünfte für die Arbeiter, es gab sogar Parkettboden, zwei Zimmer und ein Bad, Heizung und fließendes Wasser.
    Um Onkel Peppe sammelte sich ein Grüppchen, er war stolz und malte sich mögliche Szenarien der nahen Zukunft aus.
    »Die steht euch nicht zu«, ließ Governo ihn erstarren.
    »Sie war für die Surano gedacht, aber die gehen in einem Monat zurück, sie haben gesagt, wir können sie nehmen.«
    »Andere sind vor euch dran.«
    »Aber die Wohnung wäre für die Surano bestimmt gewesen!« Peppes Augen wurden rot wie bei der Rückkehr von der Ternitti.
    »Es gibt eine Regel, und Governo sorgt dafür, dass sie eingehalten wird, sonst heißt es wieder, dass die Italiener immer ihren eigenen Willen durchsetzen.«
    »Lass gut sein, Peppe, wir haben schon so viele Monate durchgehalten, wir können auch noch ein wenig länger durchhalten …«, sagte Antonio Orlando versöhnlich.
    »Halt du doch noch durch, ich will hier nicht mehr wie ein Tier leben, ist das denn ein anständiges Leben, sag’s mir, wir hausen hier doch, als wär Krieg«, entgegnete Peppe resigniert.
    Wieder kam eine schlaflose Nacht für Mimi, aber eine Nacht ohne Angst: In der Hand hielt sie eine Schachtel Streichhölzer und würde sie alle benutzen, um nur ja nicht in dem kalten Bett liegen zu müssen. Sie stand auf und lauschte auf die Geräusche der nächtlichen Wasserspülung aus dem Waschraum, dort war ihr Treffpunkt mit Ippazio, diesmal hatte er eine kleine Taschenlampe dabei; das Mädchen mit den Schwefelhölzern ging langsam mit klopfendem Herzen voran, streckte die Hand aus und stieß auf die langen Finger ihres indischen Prinzen. Sie fühlte, wie diese Finger sie mit sich zogen, und sie wäre ihnen überallhin gefolgt; nach wenigen Schritten lag sie plötzlich ausgestreckt auf den Decken von Ippazios Pritsche, und er hielt ihr mit der Hand den Mund zu. »Pass auf, das Arschloch aus Castrignano hat einen leichten Schlaf.«
    Dicht nebeneinander lagen sie im Bett, wagten es nicht, sich zu küssen, hielten sich nur an den Händen. Mimi spürte Ippazios sehnigen Körper. Aus einer unerforschlichen Tiefe stieg der unbändige Wunsch in ihr auf, eine Hand auf seine Brust oder seinen Rücken zu legen, und vielleicht verspürte er denselben Wunsch mit derselben unbezwingbaren Inbrunst. Doch die Nacht verstrich über einer langen Reihe versäumter Gesten, mit einem schlichten, aber unvergesslichen Händedruck, einem Geflecht aus ineinander verschlungenen Knöcheln, Fingern und Haut, und dieser Händedruck war die erste Liebesnacht von Ippazio und Mimi.
    »Pati« nannte sie ihn. So wie der Heilige von Tiggiano genannt wurde.
    »Mimi, nenn mich so nur, wenn wir beide allein sind.«
    Die Nächte wurden zur schönsten Zeit der Jahre aus Glas, ungeduldig sehnte Mimi den Abend herbei, sie legte sich als Erste ins Bett und wartete, bis alle Mitglieder ihrer Familie tief atmeten. Wenn endlich jeder weit weg, zwischen den friedlichen Hügeln des Morpheus war, stand Mimi auf und lief zu Ippazio ins Bett, wo sie blieb, um über ihren Mann zu wachen, doch nie ging sie weiter als bis zum Verschränken der Finger oder einer schüchternen Liebkosung, die jedes Mal von einem Zittern begleitet wurde, einer Gebirgskette aus Schauern, die an der Ferse begannen und die Beine, den Rücken und den Hals hinaufstiegen.
    Der Mundharmonikaspieler Mincuccio Vierzunull, der im Schlaf weiterspielte, stieß einen lauten Schrei aus, den man im ganzen Schlafsaal hörte: »Bildet eine Vierergruppe, stellt euch im Kreis auf!« Er machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen, doch dann drehte er sich um sich selbst und geriet mit dem Kopf dorthin, wo die Füße waren und mit den Füßen aufs Kopfkissen, worauf er wieder einschlief und weiterschnarchte.
    In der Finsternis von Ippazios Schlafraum schlug einer die Augen auf, Mimi lag zum Dunkel gewandt und erblickte die weißen Schlitze eines Gespensts: Es war nur der Vope, der Fisch aus den Meerestiefen, der unruhig schlief oder nur so tat, als schliefe er, und der Ippazio und Mimi sah, eng umschlungen wie ein einziges Wesen, ein glückliches, wundervolles Wesen.
    So ging es einige Tage lang.
    Am späten Abend senkte sich die weiße Dunkelheit der Menschenmenge, die unter einem einzigen Dach schläft. Tiefe Atemzüge, die Töne schnarchender Kehlen, hier und da ein Flüstern. In der weißen Dunkelheit

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